taz.de -- Ermittlungen zu Gorch-Fock-Unglück: Kadettin war nicht diensttauglich

Die auf der "Gorch Fock" verunglückte Soldatin hätte die tödliche Übung nicht absolvieren dürfen. Einem Medienbericht zufolge war sie wegen Übergewicht dienstuntauglich.
Bild: Eine 1,58 Meter große Soldatin, die 83 Kilo wog, hätte nicht an einer Übung in der Takelage teilnehmen dürfen.

BERLIN taz | Die Anfang November auf dem Marine-Schulschiff "Gorch Fock" tödlich verunglückte Offiziersanwärterin soll dienstuntauglich gewesen sein. Das berichtete die Bild am Dienstag unter Berufung auf einen Untersuchungsbericht der Marine. Die Obduktion habe ein Körpergewicht ergeben, "welches in Relation zur Körpergröße eine Borddienstverwendungsfähigkeit ausgeschlossen hätte". Die Soldatin soll mit 1,58 Metern 83 Kilogramm gewogen haben.

Auf [1][bild.de] finden sich weitere Zitate aus dem Bericht, etwa wie ein Ausbilder kurz vor dem Tod der Kadettin sein "schlechtes Bauchgefühl" zum Ausdruck brachte: "Nach seiner Einschätzung hielt er es nicht für ratsam, Frau S. noch mal aufentern zu lassen."

Laut Bericht soll aber auch die Ausbildung einzelner Ausbilder mangelhaft gewesen sein. "Eine Einweisung in seine Pflichten, Aufgaben, speziell während der Segelvorausbildung in der Takelage, hat nicht stattgefunden, da man der Meinung war, dass er wissen müsste, was er zu tun und zu lassen hat".

Gegenüber der taz möchte sich Oberfeldarzt Kai-Siegfried Schlolaut, ein Sprecher des Verteidigungsministerium, nicht äußern - die nun laufenden staatsanwaltschaftliche Ermittlungen erlaubten keine Stellungnahme. Schlolaut bestätigte, dass körperlich besonders geforderte Soldaten auf ihre "Borddienstverwendungsfähigkeit" geprüft würden. Die Vorschriften bleiben jedoch unter Verschluss und sind nur für den Dienstgebrauch bestimmt.

Rainer Arnold (SPD), Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestags, traut dem Verfahren, nach dem Kadetten für borddiensttauglich erklärt werden, nicht: "Ein verantwortungsvoller Arzt sollte sich ein eigenes Bild machen." Paul Schäfer, Linkspartei-Vertreter im Verteidigungsausschuss, findet es "völlig inakzeptabel, dass die Dinge erst jetzt ans Licht kommen." Das Verhalten der Mannschaft sei nach wie vor nebulös, die Ermittlungen müssten nun weitergehen. Omid Nouripour, für die Grünen im Verteidigungsausschuss, kritisiert hingegen die Veröffentlichung als "pervers": "Die Würde dieser Soldatin wird mit Füßen getreten."

8 Feb 2011

LINKS

[1] http://bild.de/

ARTIKEL ZUM THEMA

Tod der „Gorch Fock“-Kadettin: Eltern klagen beim Verfassungsgericht

Die Eltern der 2008 verunglückten „Gorch Fock“-Kadettin wollen sich beim Verfassungsgericht beschweren. So sollen Ermittlungen gegen die Führung des Schiffes erzwungen werden.

Sicherheit auf der Gorch Fock: Haltegriff für's Segelschiff

Nach zwei Todesfällen auf dem Schiff sollen Leitern rutschfest und die Besatzung fitter werden. Nicht alle Risiken lassen sich ausschließen.

Tödlicher Unfall auf der Gorch Fock: Ermittlungen eingestellt

Die Staatsanwaltschaft in Kiel wird im Fall der Gorch Fock ihre Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung einstellen. Es gebe nicht genügend Anhaltspunkte dafür, hieß es aus Kiel.

"Gorch-Fock"-Affäre: SPD wirft Kommission Verharmlosung vor

Die Marine-Untersuchung zur "Gorch Fock" hat die Besatzung weitgehend entlastet. Im Bundestag fällt das Urteil nicht eindeutig aus. Einige fordern eine Rehabilitierung von Kapitän Schatz.

Forschungsbericht "Truppenbild mit Dame": An der Waffe nicht gleichberechtigt

Frauen machen den Umgangston beim Militär zwar besser. Aber sie werden von einem Drittel der männlichen Kameraden abgelehnt – und nicht selten sexuell belästigt.

Offener Brief der "Gorch Fock"-Crew: Führung verunsichert Armee

In einem offenen Brief an den Verteidigungsminister beklagt die Crew der "Gorch Fock" Mangel an Rückhalt. Die bundeswehrinterne Kritik an zu Guttenberg wächst.

Bootcamps für schwererziehbare Jugendliche: Meine Zeit als unberittener Husar

Anlässlich der Vorkommnisse auf der "Gorch Fock" reflektiert der Schriftsteller Uli Hannemann seine eigene Zeit als potentielle Kampfmaschine aus Fleisch, Blut und Amalgam.

Nach Kritik am Schulschiff der Marine: Kiel will für "Gorch Fock" kämpfen

Landtagsfraktionen verhandeln über Resolution zur Rettung des Schiffs. Verteidigungsminister zu Guttenberg hatte den Weiterbetrieb in Frage gestellt. Linkspartei schlägt "zivilen Dienst" vor.

Enthüllungen über Bundeswehr-Skandale: Sie haben sich aufgeführt wie Könige

Speerspitze gegen Guttenberg will der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus nicht sein. Doch bei der Vorstellung seines Wehrberichts kratzt er weiter am Minister-Image.