taz.de -- Prostitution im Netz: Die Hure mit dem Blackberry

Soziale Netzwerke verwandeln die Gesellschaft. Wie Facebook das Geschäft mit dem Sex in New York veränderte, zeigt eine Untersuchung des Soziologen Sudhir Venkatesh.
Bild: Über Facebook finden die Frauen inzwischen 25 Prozent der Stammkunden, hat der Soziologe Venkatesh herausgefunden.

Der Times Square ist der augenfälligste Beweis für den Wandel von New Yorks Sexindustrie. Gehörte der weltweit bekannte Platz Anfang der Neunziger noch zu den am eifrigsten genutzten Arbeitsplätze von Sexarbeitern jeder Art, sind Platz und die Straßen ringsum [1][weitgehend gesäubert] von [2][Porno-Kinos] und Prostitutierten.

Die Prostitution wurde zurückgedrängt – verschwunden ist sie jedoch nicht. Zwar sind heute weite Teile Manhattans im Atlas der verbotenen Prostitution inzwischen grün eingefärbt – also frei von den sichtbaren Zeichen des käuflichen Sex. Doch in Hotels, Absteigen und Appartements blüht das illegale Geschäft weiter.

"Technologie hat eine fundamentale Rolle gespielt bei diesem Wandel", erklärt der Soziologe Sudhir Venkatesh [3][in der Zeitschrift Wired]. Statt am Straßenrand gabeln die Freier die Prostituierten immer öfter online auf. "Kein Mann, der sich selbst respektiert, wird seine Begleitung für einen Abend aussuchen, in dem er sich an einer Ampel aus dem Autofenster lehnt", erklärt Venkatesh. Im Gegenzug hätten auch die Huren an Prestige gewonnen – mittlerweile sei die Branche auch attraktiv für Frauen aus der Mittelschicht.

Statussymbol: Ein Blackberry

Der Soziologe hat bereits mehrere Untersuchungen zur Prostitution veröffentlicht. Für seine New Yorker Studie befragte er in einem Jahr über 290 Frauen über Einkommen, Zuhälter und Werbestrategien. Sein Ergebnis: 25 Prozent der Stammkunden finden die Frauen über Facebook, weitere drei Prozent über den Anzeigendienst Craigslist. Das Internet hat damit die Strip-Clubs als Mittel zur Kundenwerbung abgelöst, mehr Freier werden nur über "Begleitagenturen" vermittelt. Begehrtes Statusobjekt: ein Blackberry. Damit können die Sexarbeiterinnen nicht nur Termine und Freier verwalten, das Smartphone vermittelt den Kunden das Gefühl von Seriosität: Sex als Geschäft, nicht als schmutziges Geheimnis.

"Das Internet und Mobiltelefone haben es den Sexarbeitern ermöglicht, ihr Geschäft zu professionalisieren. Heute können sie so ihr Image kontrollieren und ihre Preise bestimmen", schreibt Venkatesh. Das Internet gehört zum Job: 83 Prozent der befragten Frauen haben eine Facebook-Seite. Besonders attraktiv an dem Online-Strich: die Prostituierten können so teilweise die Agenturen ausbooten, die durchschnittlich zwischen 40 und 50 Prozent des Geldes einbehalten. Um den Anschein von Seriosität zu vermitteln, legen einige Frauen sogar gefälschte Agentur-Webseiten an, um darüber alleine ihre Dienste feilzubieten.

Von der Entwicklung der Online-Prostitution können freilich nicht alle profitieren. Bei einer vorangegangenen Untersuchung in Chicago hatte Venkatesh [4][//freakonomics.blogs.nytimes.com/2009/12/01/superfreakonomics-:deutliche Unterschiede] festgestellt: "Geringverdiener und Minderheiten sind nicht wirklich in der Lage, von der Technik in dem Maße zu profitieren".

Auch Zuhälter nutzen das Internet

Doch auch online ist das Geschäft in Amerika noch weit entfernt vom legitimen Broterwerb. So wurde die Anzeigenwebseite [5][Craigslist] nach einer massiven Kampagne gezwungen, das Geschäft mit den Sex-Anzeigen aufzugeben. Nach Berichten, wonach Zuhälter Sex mit Minderjährigen über das Portal verkauften, stieg der Druck auf den beliebten Anzeigenmarkt so lange an, bis das Unternehmen die Rubrik "adult services" schloss.

Deutsche Unternehmen wollen es erst gar nicht so weit kommen lassen. "Werbung für Prostitution ist bei uns laut unserer Geschäftsbedingungen streng verboten und findet auf unseren Netzwerken keinen Platz", erklärt eine Sprecherin von VZ-Netzwerke gegenüber taz.de. Auch Konkurrent wer-kennt-wen.de will mit Prostitution nichts zu tun haben. Vorsorglich untersagte das Unternehmen alle "Inhalte, die gegen das Anstands- oder Sittengefühl der Durchschnittsbevölkerung verstoßen". Wer gemeldet wird, muss mit der Löschung seines Profils rechnen.

Die Berliner [6][//www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/sexarbeit-:Hurenorganisation Hydra] bestätigt auf Anfrage von taz.de, dass das Internet auch in Deutschland eine immer größere Rolle spielt – wie weit dieser Trend vorgedrungen ist, ist jedoch unklar. "Die Ausgangsbedingungen sind in den USA ganz andere", erklärt eine Mitarbeiterin des Vereins gegenüber taz.de. So ist in den USA die Prostitution im Gegensatz zu Deutschland weitgehend verboten, die Prostituierten brauchen einen legalen Deckmantel. Zweideutige Kontaktanfragen bei Facebook sind schwer zu verfolgen.

In Deutschland haben schon vor Jahren Online-Anbieter das Geschäft mit Prostituierten entdeckt und bieten den Sexarbeitern spezialisierte Werbe- Plattformen an. Das Angebot reicht von Sex-Auktionshäusern bis zur iPhone- App. Den Straßenstrich haben diese Angebote freilich nicht abgelöst.

11 Feb 2011

LINKS

[1] /1/archiv/digitaz/artikel/
[2] /1/leben/alltag/artikel/1/das-ende-der-kabine/
[3] http://www.wired.com/magazine/2011/01/ff_sextrade/all/1
[4] http://typo3/%E2%80%9Chttp
[5] /1/netz/artikel/1/craigslist-verklagt-
[6] http://typo3/%E2%80%9Chttp

AUTOREN

Torsten Kleinz

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