taz.de -- Kommentar Islam-Debatte in Frankreich: Der gute Muslim ist unsichtbar

Nicolas Sarkozy will dem Front National nicht das Feld überlassen. Um der wachsenden Islamfeindlichkeit zu begegnen, definiert er Regeln der Diskretion.
Bild: Demonstration in Paris gegen die von Präsident Nicolas Sarkozy initiierte Islamdebatte.

Keine Schleier, keine Minarette oder Muezzins, keine Gläubigen, die auf der Straße Allah anrufen: Ein guter, französischer Muslim ist ein unsichtbarer Muslim - zumindest für Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Aufgrund reeller und wachsender Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft definiert er als Ziel der Assimilierung Regeln der Diskretion.

Es sei an den Muslimen, sich so zu integrieren, dass sie nicht auffallen. Dass sie da Nachholbedarf hätten, meint Sarkozy an der zunehmenden Popularität der Parteichefin des islamophoben Front National, Marine Le Pen, ablesen zu können. Das Wiedererstarken der extremen Rechten auf dem Nährboden der muslimfeindlichen Ressentiments ist für Sarkozy ein echter Grund zur Sorge - für seine Wiederwahl zum Präsidenten.

Darum will er der FN-Chefin das Thema nicht überlassen. Mit dem Versuch, einen "französischen Islam" zu definieren, will er ihr zuvorkommen.

Zum Problem in der nach dem unheilvollen Vorbild der Debatte über "nationale Identität" losgetretenen Auseinandersetzung werden in erster Linie die Muslime selber, weniger Vorurteile und Integrationshindernisse, für die diese meistens herzlich wenig können. Dass in einigen Straßen von Marseille, Paris und Lyon Gläubige mangels Platz in der Moschee draußen beten, wird zur Staatsaffäre.

Nichts anderes sagt Marine Le Pen, für die öffentliche Frömmigkeit eine absichtliche Provokation darstellt. Le Pen hat, ähnlich wie Thilo Sarrazin in Deutschland, keine Lösungen aufgezeigt, sondern nur Feindseligkeit geschürt. Da zudem in Frankreich dem Staat durch die strikte Trennung von Religion und Republik ein konkreter Beitrag zur Integration wie Finanzierung von Moscheen oder Ausbildung von Geistlichen untersagt ist, bleibt ihm nur die Intervention im Namen der weltlichen Ordnung.

18 Feb 2011

AUTOREN

Rudolf Balmer

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