taz.de -- Kommentar Lokführerstreik: Die Macht der Gewohnheit
Lokführer bestreiken die Berliner S-Bahn. Die Berliner juckt das kaum. Denn die S-Bahn kommt ja eh nie.
Die Lokführer müssten sich eigentlich bei den Bahn-Chefs beschweren. Ohne deren Missmanagement bei der S-Bahn wären die Zugausfälle am Dienstagmorgen noch etwas Besonderes gewesen, eine echte Drohkulisse für Tarifverhandlungen. Etwas, über das man sich ereifert hätte als unerhört, nie gehabt, als nicht hinnehmbar, als Schikane auf Kosten der Bahnfahrer. So aber war für viele der gestrige Morgen nur Business as usual - ein weiterer Chaostag halt.
Neu war bloß, die sonst fern in irgendwelchen Depots und Werkstätten verbleibenden Züge teilweise vor der Nase zu haben - und doch nicht weiter zu kommen. Das und entsprechenden Kommentare von Lokführern drehten sogar einen alten Schlager aus den 70-ern noch weiter. "Es fährt ein Zug nach nirgendwo", hieß es da. Nirgendwo stimmte weiter, bloß das mit dem Fahren passte nicht.
Nach über eineinhalb Jahren des Chaos', der verspäteten, ausgefallenen und vor allem überfüllten Züge macht sich sichtlich eine dumpfe Akzeptanz breit. Man fügt sich halt ins Unvemeidbare. Was soll man auch tun? Alle Flüche sind geflucht, alle Knöpfe an angeblichen Info-Säulen vergeblich gedrückt, ohne dass sich irgendetwas getan hätte. Und selbst per Volksentscheid ließen sich funktionsfähige S-Bahn-Wagen nicht herzaubern.
Das einzige, was bleibt, ist da die vage Hoffnung, dass sich nach einer noch ominösen Ausschreibung etwas ändern könnte. Neue Wagen aber soll es in jedem Fall frühestens in vier, fünf Jahren geben. Kann gut sein, dass die Lokführer bis dahin noch das eine oder andere Mal streiken. Kann aber auch gut sein, dass es dann kaum noch jemand merkt.
22 Feb 2011
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