taz.de -- Wowereit besucht Saudi-Arabien: Wirtschaft wichtiger als Demokratie
Klaus Wowereit und die bislang größte Wirtschaftsdelegeation bei einer Auslandsreise wollen in Riad für den Standort Berlin werben. Die Reise kommt angesichts des Bürgerkriegs in Libyen zur Unzeit.
Es ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Vor einem Jahr hatte die Senatskanzlei die Reise des Regierenden Bürgermeisters und einer Wirtschaftsdelegation nach Saudi-Arabien zugesagt. Der Gouverneur von Riad, Prinz Salman bin Abdulaziz al-Saud, hatte Klaus Wowereit eingeladen. Wenn Wowereit am heutigen Freitag losfliegt, wird der Krieg Gaddafis gegen das eigene Volk andauern. Wie nah oder wie weit entfernt von Libyen ist da das autoritär regierte Königreich?
Klaus Wowereit wird sich mit solchen Fragen nicht herumplagen. Berlin hat in Saudi-Arabien nichts zu verlieren, umso mehr aber zu gewinnen. Von einer Verdoppelung des Exportvolumens auf eine halbe Milliarde Euro spricht die IHK. Lieber heute als morgen würde die Berliner Wirtschaft ein paar Großprojekte in den Wüstensand setzen.
Das sieht wohl auch die Opposition so: Von Protest gegen die Saudi-Arabien-Reise ist nichts zu vernehmen. Leider aber auch nichts von Protest gegen das Reiseprogramm. Gewiss, mit der Al-Iman-Mohammad-ibn-Saud-Universität besucht Wowereit auch eine Hochschule in Riad. Zu den Studierenden spricht er freilich nicht. Stattdessen sollen Gespräche über den Ausbau der Kooperation mit dem Klinikkonzern Vivantes geführt werden.
Ein Regierender Bürgermeister, da hat Klaus Wowereit sicher recht, ist kein deutscher Außenminister. Fingerspitzengefühl sollte man trotzdem erwarten. Erst recht zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Schließlich schaut die arabische Demokratiebewegung derzeit zu Recht mit Misstrauen nach Europa - und damit auch nach Berlin.
24 Feb 2011