taz.de -- Guttenberg-Unterstützerseite bei Facebook: Echte oder Fake-Friends?

Über eine halbe Million Fans in wenigen Tagen. Das ließ viele Netz-Beobachter zweifeln, ob es bei der Facebook-Seite "Wir wollen Guttenberg zurück" mit rechten Dingen zu geht.
Bild: Eine halbe Millionen Unterstützer - gibt es eine "Dunkelziffer" unter den Guttenberg-Facebook-"Fans"?

Facebook ist ein Thema, das deutsche Redaktionen immer wieder mit Erstaunen erfüllt - erst bei der Organisation von Revolutionen in den arabischen Ländern, und jetzt auch in Deutschland, wo nach dem Rücktritt des beliebtesten deutschen Bundesministers die [1][Facebook-Seite "Wir wollen Guttenberg zurück"] massiven Zuspruch genießt.

Über eine halbe Million Guttenberg-Fans in wenigen Tagen - das ließ viele Beobachter aus Netz- und Medienkreisen zweifeln. So behauptete der [2][Medienstratege Peter Berger] schon am Donnerstag nach Guttenbergs Rücktritt, die Fans auf der Facebook-Seite seien "genauso gefaket wie die Doktorarbeit". Und belegte das damit, dass der Zufluss an Unterstützern auch nachts nicht abnehme, viele Fans des Ex-Ministers selbst keine Freunde hätten - und die Seite des Ministers innerhalb von wenigen Tagen mehr Zuspruch generierte als die "Deutschland sucht den Supersstar"-Facebook-Seite innerhalb von zwei Jahren.

Blogger Markus Beckedahl schrieb auf [3][netzpolitik.org] schon von einer "Dunkelziffer" unter den Guttenberg-Facebook-"Fans", die der Gruppe nur beitraten, um kommentieren und beobachten zu können. Und auch die Frankfurter Rundschau veröffentlichte am Freitag einen Text über Fake-Profile bei Facebook, deren Zahl dem Guttenberg-Rücktritt sprunghaft angestiegen sein sollen. Auch Sascha Lobo, wohl bekanntester Web-2.0-Berater der Bundesrepublik, kam das alles komisch vor, er rief daraufhin [4][in seinem Blog zur investigativen Gruppenrecherche auf]. "Schummelt irgendjemand mit der Facebook-Page 'Wir wollen Guttenberg zurück'?" fragte er dort - und ruft dazu aus, offenzulegen, wie viele Freunde man beim eigenen Facebook-Profil habe, wie viele davon die Pro-Guttenberg-Seite und diverse andere Facebook-Fanseiten mochten.

So wollte Lobo errechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass die imense Guttenberg-Beliebtheit bei Facebook tatsächlich echt ist. Seit Freitag meldeten sich über 900 Menschen bei Lobo zurück - ausgewertet hat er deren Angaben aber bislang noch nicht. Statt dessen verweist er mit dem Hinweis "Breaking News" auf die Recherchen des [5][Rhein-Zeitungs-Journalisten Markus Schwarz]e, den Lobo als "absolut vertrauenswürdig" anpreist und der nach Einsicht von internen Facebook-Statistiken nicht den Eindruck hat, dass die Guttenberg-Unterstützerseite manipuliert wurde. Die Facebook-Statistik stütze diese Zahlen, schreibt Schwarze, besonders viele User der Seite kämen aus Deutschland, besonders "aus großen Städten wie München", Google und Twitter würden die meisten Leser auf die Guttenberg-Unterstützerseite spülen.

Das alles kann Schwarze mit Statistik-Screenshots von Facebook unterfüttern. Lobo recherchiert parallel dazu bei Facebook nach, steht in Kontakt mit Facebook-Marketing-Mann Philip Roth und listet auf einem eigens dafür angelegten [6][Google-Doc] alle Unregelmäßigkeiten und Regelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Seite, Visualisierungen und Statements auf. Nur eines fehlt auf der Seite bislang noch: Eine Einschätzung von Lobo, ob die Seite denn nun ein Fake ist oder nicht. Auf seinem Blog nicht. In dem Google-Doc, in dem er alle Informationen sammelt, nicht. Und erstaunlicherweise noch nicht einmal auf Lobos Lieblings-Verlautbarungsmedium Twitter.

7 Mar 2011

LINKS

[1] http://www.facebook.com/pages/Wir-wollen-Guttenberg-zur%C3%BCck/136786223053705
[2] http://medienstratege.de/2011/03/alles-nur-ein-fake-neue-indizien-auf-gefalschte-guttenberg-fans/
[3] http://www.netzpolitik.org/2011/spas-mit-rucktritt-wir-wollen-guttenberg-zuruck/
[4] http://saschalobo.com/2011/03/04/call-for-crowd-action-betrugt-die-guttenberg-seite-auf-facebook-mit-den-fan-zahlen/
[5] http://blog.rhein-zeitung.de/?p=14083
[6] https://docs.google.com/document/pub?id=1tVp2v-AXldMxc2sz0U1R47V4SILke8S52-cLRL1AI0E

AUTOREN

Meike Laaff

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte Doktortitel: Das Guttenberg-Syndrom

Die Promotion ist längst zur Farce geworden. Und wer Karriere machen will, braucht den Doktortitel nicht. Warum schafft man ihn nicht ab?

Verzicht nach Karneval: Das große Facebook-Fasten

Mit dem Aschermittwoch beginnt die christliche Fastenzeit. Auch auf soziale Medien wie Facebook wird immer öfter verzichtet. Das kann glücklich machen.

Facebook steigert Selbstwertgefühl: Ich? Gefällt mir!

Facebook wird eine Menge zugetraut - nun auch noch das: Laut einer Studie dient das weltgrößte soziale Netzwerk als Ego-Pusher. Doch nicht alle sind dieser Meinung.

Rücktritts-Gesimse: Augenblick, verweile doch

Im Netz ist ein zauberhaftes Filmchen aufgetaucht, das die wahre Reaktion starker Frauen auf den Abgang vom kurzzeitigem Superminister Karl-Theodor zu Guttenberg zeigt.

Guttenberg-Protest auf der Straße: Das Volk fehlt

Sie machten es ganz wie ihr Vorbild: Erst kamen die großen Posen - dann eine schlechte Performance. Die Offline-Demos für Guttenberg blieben eine Randnotiz.

Debatte Populismus: Germanys Next Topminister

Guttenbergs Abgang hat eine Lücke gerissen. Denn die Sehnsucht nach Charismatikern nimmt zu - eine fatalistische Auslieferung an die Qualität des politischen Personals.

Plagiate in der Forschung: Willkürlich am Pranger

Einige Wissenschaftler wehren sich erfolgreich gegen die Erwähnung in einem Buch über Wissenschaftsplagiate. Gestritten wird auch darüber, wo unerlaubtes Abschreiben anfängt.

Debatte Urheberrecht: Copy&Paste machen das Leben schön

Angesichts der Guttenberg-Debatte hätten die Kulturpessimisten es endlich raffen können: Das Netz ist kein "rechtsfreier Raum", in dem "geraubt" wird. Doch leider: Fehlanzeige.