taz.de -- Gewalt gegen Demonstranten in Syrien: Schüsse und Tote an Moschee
In Syrien gehen Demonstranten weiter auf die Straße. Zeugen sprechen von Angriff durch Soldaten in der Stadt Deraa, südlich von Damaskus. Die Behörden hingegen sehen "Banden" am Werk.
DAMASKUS/BERLIN afp/taz | In Syrien haben Sicherheitskräfte erneut fünf Demonstranten getötet. Die Beamten hätten in der Nacht zum Mittwoch scharfe Munition und Tränengas gegen eine Sitzblockade rund um die Al-Omari-Moschee in der südsyrischen Stadt Deraa eingesetzt, sagte ein Menschenrechtsaktivist, der namentlich nicht genannt werden wollte. Die syrische Führung sprach dagegen von einem Polizeieinsatz gegen "bewaffnete Banden".
Die Al-Omari-Moschee in Deraa steht seit Tagen im Zentrum der syrischen Protestbewegung. Einige Demonstranten haben dort bereits Zelte aufgeschlagen. Auch in der Nacht zum Mittwoch versammelten sich an der Moschee wieder hunderte Menschen. "Der Strom fiel aus, und sofort waren Schüsse zu hören", sagte der Aktivist über die Ereignisse. Fünf Menschen seien getötet und dutzende verletzt worden. Am Mittwoch sollen bei der Beisetzung zweier Opfer weitere sieben Menschen durch Schüsse verletzt worden sein.
Syriens amtliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, eine "bewaffnete Bande" sei für die Zusammenstöße in Deraa verantwortlich. Sie habe nach Mitternacht einen Krankenwagen nahe der Moschee attackiert und dessen dreiköpfige Besatzung getötet. Die Sicherheitskräfte hätten daraufhin eingegriffen. Einige Angreifer seien von Kugeln getroffen, andere festgenommen worden.
Forderungen an Assad
"Diese bewaffneten Banden haben in der Al-Omari-Moschee Waffen und Munition", hieß es in dem Bericht von Sana weiter. Um dies zu untermauern, zeigte das Staatsfernsehen Bilder von Pistolen, Gewehren, Granaten und Munition, die angeblich aus der Moschee stammten. Im Tagesverlauf fielen nach Angaben eines Korrespondenten erneut Schüsse in Deraa, durch die ein Zivilist verletzt wurde.
Seit Freitag kommt es in der südsyrischen Stadt täglich zu Protesten gegen die autoritäre Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad. Dort wurden bisher mindestens neun Menschen getötet. Nach Angaben von Augenzeugen kam es gestern auch in den nahegelegenen Städten Dschassem und Noa zu Protesten. Die Demonstranten fordern ein Ende der Korruption und politische Reformen sowie die Absetzung des Geheimdienstchefs von Deraa, eines Cousins von Assad. Einigen Berichten zufolge wurde der Gouverneur der Stadt bereits entlassen, was die Demonstranten gefordert hatten.
23 Mar 2011
ARTIKEL ZUM THEMA
Wegen der nicht endenden Proteste verspricht das Assad-Regime nach über 50 Jahren den Ausnahmezustand aufzuheben - und versucht die Proteste als vom Ausland gesteuert zu diskreditieren.
Die herrschende Baath-Partei unter Präsident Baschar al-Assad ist zu einer parasitären, korrupten Clique geworden, die der Jugend die Zukunft raubt und dem Alter die Würde.
Brutale Polizeieinsätze in Syrien fordern Dutzende Tote. Zahlreiche Oppositionelle wurden verhaftet und Aktivisten rufen zu Massenprotesten auf.
In Deera haben die Proteste eine Stufe erreicht, auf die das Regime reagieren musste - mit Zuckerbrot und Peitsche. Doch Präsident Assad läuft die Zeit davon.
Jemen, Bahrain, Syrien – in der arabischen Welt finden so viele umwälzende Entwicklungen statt, dass man gar nicht weiß, wohin man zuerst schauen soll. Ein Überblick.
In Daraa gingen die Sicherheitskräfte mit Schusswaffen gegen Demonstranten vor. Vier Menschen starben. Neue Proteste sind für Montagnachmittag angekündigt.
Die arabischen Regierungen sind sich in Sachen Libyen nicht einig. Die einen sind dabei, Proteste abzuwehren, die anderen müssen sich erstmal neu sortieren.
Die arabischen Revolutionen lösen Begeisterung aus. Die einen wittern hinter Protestaufrufen den Arm des Regimes, andere setzen auf dessen Willen zur Veränderung.