taz.de -- Kommentar Wahl in Baden-Württemberg: Sie können alles, auch wählen
Seit über 30 Jahre mahnen die Grünen eine Energiewende an. Nach ihrem Erdrutschsieg in Baden-Württemberg ist klar, dass diese epochale Energiewende jetzt eingeleitet wurde.
Das ist eine Revolution, die im ganzen Land ihren Widerhall finden wird. Die Grünen sind die großen Gewinner dieses Wahlsonntags. In Rheinland-Pfalz haben sie zugelegt und werden wohl an der Regierung beteiligt, in Baden-Württemberg sogar den ersten grünen Ministerpräsident stellen - und das in einem Bundesland, das sich 58 Jahre lang in schwarzer Hand befand.
Selten kam einer Landtagswahl so viel bundesweite Bedeutung zu wie dieser in Baden-Württemberg. Für das Desaster der CDU wird die Chefin Angela Merkel von ihrer Partei in die Pflicht genommen werden. Zwar wird sie allein aus Mangel an Alternativen im Amt bleiben. Aber der Richtungsstreit ist programmiert. Der konservative Flügel bangt ums Überleben. Das wird die Modernisiererin deutlich zu spüren bekommen. Auch die FDP wird so nicht weiter machen. Entsprechend droht dem gesamten Schwarz-Gelben Regierungsprojekt ein vorzeitiges Ende.
Natürlich hat sich die Atomkatastrophe in Japan ausgewirkt. Aber die Grünen können mit allem Recht für sich in Anspruch nehmen, dass niemand sonst so kontinuierlich vor den Gefahren gewarnt hat wie sie. Und keine andere Partei hat so konsequent und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, den Einfluss der Atomlobby zu bekämpfen. Die Bürgerinnen und Bürger wissen daher, dass es die grünen Kernkompetenzen sind, die Deutschland jetzt braucht, um eine zukunftsfähige Energie- und Wirtschaftspolitik zu gestalten.
Seit über 30 Jahren mahnen die Grünen eine Energiewende an. Nach ihrem Erdrutschsieg ist klar, dass diese epochale Energiewende jetzt eingeleitet wurde.
Mit ihren Wahlsiegen sind die Grünen endgültig zu einer Volkspartei geworden. Bei allem verständlichen Jubeln heißt das aber auch, dass die Partei diese Verantwortung annehmen muss. Sich bei Sozialfragen wie Hartz IV durch Enthaltungen hinter der SPD zu verstecken, das gilt künftig nicht mehr. Jetzt ist es Zeit, Farbe zu bekennen.
Als Verlierer dieses Wahltags steht ganz klar Stefan Mappus da. Seiner Haudrauf-Politik ist es zu verdanken, dass die schwarze Bastion gefallen ist. Die Bürgerinnen und Bürger wollen diese Art, Politik zu machen, nicht mehr länger hinnehmen. Sie fordern mehr Partizipation und Glaubwürdigkeit. Damit haben die Baden-Württemberger gezeigt: Sie können alles, auch wählen!
27 Mar 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Baden-Württemberg hat gewählt, Grün-Rot hat eine Mehrheit und ein Grüner wird Ministerpräsident. Und jetzt? Willkommen in der Grünen Hölle.
In der CDU- und FDP-Zentrale in Berlin reagiert das politische Personal auf die Wahlniederlage mit Schweigen. Die offizielle Parole lautet trotzdem: Weiter so!
Trillerpfeifen, Polizeigewalt und die Geißler-Schlichtung: Die Chronik des Protests gegen Ministerpräsident Stefan Mappus und die CDU-Herrschaft.
Die Partei von Ministerpräsident Stefan Mappus sucht nach Erklärungen für die historische Niederlage bei der Landtagswahl im CDU-Stammland.
Kretschmann und Schmid: So heißt das Duo, das nun Baden-Württemberg regieren soll - mit dem Grünen als Ministerpräsident. Von einem "historischen Wechsel" ist die Rede.
Die CDU im Südwesten verliert den Posten des Ministerpräsidenten - eine historische Niederlage. Erstmals könnte ein Grüner wichtigster Mann im Land werden.
SPD und Grüne werden Rheinland-Pfalz gemeinsam regieren und Kurt Beck bleibt Ministerpräsident: Man muss die Provinz im Südwesten diesmal wirklich loben. Uneingeschränkt.
Bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz hat sich die SPD trotz starker Verluste als stärkste Partei behaupten können. Die CDU liegt knapp dahinter. Die Grünen gewinnen 10,8 Prozent dazu.
Grün-Rot hat bei der Wahl in Baden-Württemberg mit 71 Sitzen die Mehrheit im Landtag erreicht. Winfried Kretschmann von den Grünen könnte damit Ministerpräsident werden.