taz.de -- Kommentar Energiewende: Neues Denken für die Wende

Es hilft nichts, sich gegenseitig mit vorgezogenen Stilllegungsterminen für Atomkraftwerke zu übertrumpfen. Die Energiewende ist machbar, aber nicht über Nacht. Umso wichtiger ist deshalb politischer und moralischer Druck.
Bild: "Die Debatte um Kohle ist zum Teil ein Fetisch", sagt Sigmar Gabriel im taz-Interview.

Das ist ja alles fast zu schön, um wahr sein zu können. Das schwindelerregende Tempo, in dem sich nun auch konservative Politiker in Norddeutschland als Atomkraftgegner outen, macht zunächst mal misstrauisch. Andererseits ist auch ihnen zuzubilligen, klüger werden zu können. Fukushima hat offenbar auch den hartleibigsten Befürwortern der Kernspaltung gehörig den Schrecken in die Glieder gejagt.

Gleichwohl gibt es keinen Grund für gaukelspielerischen Aktionismus. Es hilft nichts, sich gegenseitig mit vorgezogenen Stilllegungsterminen für Atomkraftwerke zu übertrumpfen. Die Energiewende ist machbar, gewiss, aber eben leider nicht über Nacht.

Verfügte Stilllegungen gegen die Renditeerwartungen der Anteilseigner kommen einer Enteignung nahe und haben kaum Chancen vor dem Bundesverfassungsgericht. Das ist seit dem Streit um den Atomkonsens vor elf Jahren bekannt.

Umso wichtiger ist deshalb politischer und moralischer Druck. Alle Ideen und Ansätze für die Energiewende sind hilfreich, der Wechsel zu Ökostromanbietern selbstredend auch. Entscheidend ist ein gesellschaftliches Klima, das die Atomenergie - und die Kohlekraft natürlich auch - ächtet.

Der rasche Umstieg in die erneuerbaren Energien gelingt nicht vor Gerichten. Dazu bedarf es neuen Denkens.

31 Mar 2011

AUTOREN

Sven-Michael Veit

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