taz.de -- Polizei kontrolliert Fahrradfahrer: Lieber rot als tot
Die Polizei nimmt Radfahrer verstärkt ins Visier. Aber wie viel kostet welches Vergehen? Ein Blick in den Bußgeldkatalog. LKW überrollt Radlerin beim Abbiegen.
Wohl jeder Radfahrer fährt mal auf der falschen Fahrbahnseite des Radweges oder benutzt den Gehweg. In dieser Woche kontrolliert die Polizei solche Vergehen verstärkt. "Bis zum 12. April ist die Polizei vor allem an Orten präsent, an denen es häufig zu Unfällen mit Fahrradfahrern kommt", sagt Polizeisprecher Michael Gassen. Am Adenauerplatz stehe etwa ein Polizeiwagen und winke gegebenenfalls RadfahrerInnen aus dem Verkehr. Es folge, je nach Einzelfall, Informationsgespräch, Verwarnung oder Bußgeld.
Doch wie viel kostet es zum Beispiel, über den Gehweg zu fahren statt auf der Straße? Laut Bußgeldkatalog für Radfahrer 10 Euro. Teurer wird es, wenn andere VerkehrsteilnehmerInnen beteiligt sind: Wenn eine Radfahrerin etwa vor einem Fußgänger auf dem Gehweg fährt und ihn dadurch behindert, beträgt das Bußgeld 15 Euro. Als "Gefährdung anderer" zählt laut Polizeisprecher folgendes Szenario: Der Radfahrer prescht auf dem Gehweg heran, der Fußgänger kann sich nur noch durch einen Sprung zur Seite retten. In diesem Fall müsste der Radfahrer 20 Euro zahlen. Fährt der Radfahrer den Fußgänger um, sind 25 Euro fällig.
Kompliziert wird es bei der roten Ampel: Wer sie überfährt, wenn sie grade umgesprungen ist, muss 45 Euro zahlen und bekommt dazu einen Punkt in Flensburg. Alle Bußgelder, die höher sind als 40 Euro, werden mit einem Punkt in Flensburg geahndet. Bei RadfahrerInnen, die keinen Führerschein besitzen, wird der Punkt vorgemerkt.
Wer eine rote Ampel überfahren hat und andere dadurch gefährdet, muss 100 Euro zahlen - 120 Euro wenn er dabei mit einem Fußgänger oder einem Auto kollidiert. Wenn die Ampel länger als eine Sekunde rot war, sind ebenfalls 100 Euro fällig. Die Polizei misst die Sekundenzahl vor Ort oder sie muss durch Zeugenaussagen bestätigt werden. War die Ampel länger als eine Sekunde rot und der Radfahrer provoziert einen Unfall, muss er 180 Euro zahlen.
Laut Polizeistatistik gab es im vergangenen Jahr 996 Unfälle, die RadfahrerInnen verschuldeten, weil sie auf der falschen Fahrbahnseite oder auf dem Gehweg fuhren, sowie 1.193 Unfälle, die AutofahrerInnen durch falsches Abbiegen verursacht haben und an denen RadfahrerInnen beteiligt waren.
Die Polizei kontrolliere deshalb auch AutofahrerInnen und prüfe, ob sie beim Abbiegen Rücksicht nehmen, erklärt Polizeisprecher Gassen.
Der Berliner Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) kritisiert die Verkehrskontrollen. "Wenn ein Radfahrer auf dem Bürgersteig fährt, ist das ärgerlich, kostet aber keine Menschenleben", sagt Sarah Stark, ADFC-Landesvorsitzende zur taz. Wichtiger sei es, Unfallursachen zu bekämpfen, die schwere und tödliche Folgen haben. Bei solchen Unfällen seien hauptsächlich Autofahrer schuld.
Bei den aktuellen Polizeikontrollen werden auch technische Mängel am Fahrrad geahndet. Ob Licht, Klingel oder Bremsen - ist eines der Teile kaputt, muss der Radbesitzer 10 Euro zahlen. Das geringste Bußgeld beträgt übrigens 5 Euro, der Tatbestand: freihändig fahren.
5 Apr 2011
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