taz.de -- Proteste in Syrien: Assad macht mobil
Die Demonstrationen ergreifen immer mehr Städte. Das Regime stellt ein neues Kabinett vor, das ganz so neu nicht ist und in dem ein Geheimdienstler sitzt.
DAMASKUS taz | Auch wenn es am Freitag vor der symbolträchtigen Ummayaden-Moschee in Damaskus aufgrund des großen Aufgebotes von zivilen Sicherheitskräften nach dem Mittagsgebet ruhig blieb, ist es in weiten Teilen Syriens erneut zu massiven Protesten gekommen. Tags zuvor hatte das Staatsfernsehen noch vermeldet, dass eine unbestimmte Anzahl der im vergangenen Monat Inhaftierten freigelassen worden seien, wohl um die anstehenden Freitagsproteste im Vorfeld abzumildern. Doch es scheint wenig gebracht zu haben.
Tausende sollen in den Städten Tall, Harasta und Aarbin in der Nähe von Damaskus auf die Straße gezogen sein, und auch aus der Damaszener Vorstadt Darayya werden Proteste gemeldet. In den Städten Jassem, Tartous und in Houram haben sich die Forderungen der Demonstranten nun erstmals klar gegen das Regime gewandt - bislang war der allgemeine Ruf nach "Reformen" und "Freiheit" zu hören, doch nun heißt es neben Solidaritätsbekundungen für die Toten und Gefangenen der vergangenen Wochen in Douma auch: "Das Volk will die Regierung stürzen".
Zu Verletzten soll es im Barazah-Bezirk vom Damaskus gekommen sein, zwei Tote werden nach heftigen Schießereien aus Latakia, der Heimat des Präsidenten Bashar al-Assad, gemeldet. Erstmals demonstrieren auch die Menschen im Inneren des Landes, in der touristisch bedeutsamen Ruinenstadt Palmyra (Tadmur), und auch in Deir Ezzor, im nordöstlich gelegenen Kurdengebiet, kam es zu Demonstrationen.
Wohl um dem aufgebrachten Volk offiziell wieder ein wenig in seinen Reformforderungen entgegenzukommen, wurde eine neue Regierung vorgestellt. Der ehemalige Landwirtschaftsminister und neu ernannte Premierminister Adel Safar stellte am Donnerstag das "neue" 30-köpfige Kabinett vor, von dessen Mitgliedern 14 bereits im alten tätig waren. Der neue Innenminister ist bereits aus seiner Arbeit beim Geheimdienst bekannt, es ist der General Mohammad Ibrahim al-Shaar. Es scheint, als ob den nicht erneuerten Ministern für Verteidigung und Äußeres, Ali Habib und Walid Muallem, ein klarer Hardliner für die innere Führung zur Seite gestellt werden soll.
In Beirut hat der syrische Botschafter, Ali Abdel Karim Ali, die libanesiche Regierung unterdessen dazu aufgerufen, rechtliche Schritte gegen das Parlamentsmitglied Jamal Jarrah aus der "Zukunftspartei" von Saad Hariri zu unternehmen. Ali stellte die Forderungen einen Tag, nachdem das syrische Staatsfernsehen drei Bekenntnisse einer "Terrorzelle" ausstrahlte, in dem drei Männer sich dazu bekennen, Geld und Waffen vom Libanesen Jarrah erhalten zu haben, um die Unruhen im Nachbarland anzuschüren.
15 Apr 2011
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Regierung hob das Notstandsgesetz auf – eine zentrale Forderung der Demonstranten. Das heißt nicht, dass das Regime nun weniger hart vorgeht.
Der Präsident kündigt die Aufhebung des Notstands und Reformen an, um die "innere Front" zu stärken. Dennoch gehen Tausende in mehreren Städten auf die Straße.
Präsident Assad hat die Aufhebung des Notstandsgesetzes sowie Reformen angekündigt. Doch die Proteste in Syrien gehen weiter - erstmals auch in der Hauptstadt Damaskus.
Die Bombardements auf Gaddafi haben noch nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Währenddessen lässt man die Demokraten in Bahrain und im Jemen im Stich.
Weit mehr als 200 Menschen sind bei den Protesten in Syrien bislang getötet worden. Wer hinter dem repressiven Regime steht, sagt der libanesische Journalist Abdul M. Husseini.
Nach der Festnahme von hunderten Männern in der Region um die Hafenstadt Banias blockieren die Frauen eine Schnellstraße. Bislang sind mehr als 200 Menschen bei den Protesten getötet worden
Syrische Sicherheitskräfte haben offenbar die Hafenstadt Banias abgeriegelt. Dutzende Menschen waren am Wochenende bei gewaltsamen Niederschlagungen der Proteste getötet worden.
Gerade Deutsche sollten wissen: Demokratie braucht Zeit. Der Westen sollte den Prozess unterstützen, ohne sich zu sehr einzumischen.