taz.de -- Kommentar Atomunfall-Erinnerungskultur: Welt-Mahnerbe gesucht
Tschernobyl – und jetzt Fukushima. Das sind harte, bösartige Schnitte in unseren Glauben an den ewigen Fortschritt. Wir brauchen deswegen Lernorte für die Zukunft.
Als Filmemacher höre ich den Menschen zu, manchmal als Erster und Einziger. Ich habe schon mit vielen Strahlenopfern gesprochen, auch Kindern. Sie wissen meist nicht, was mit ihnen geschehen ist. Sie sind traumatisiert, in ihrer Lebensenergie geschwächt.
Unter den Liquidatoren in Tschernobyl sprach man von "Menschen verbrennen": 800.000 und mehr wurden für allein für die Aufräumarbeiten "verbrannt". Wie viele es in Fukushima werden, wissen wir noch nicht.
Drehen wir die Schreckens-Medaille um: auf der anderen Seite sehen wir Lernorte, die die Menschheit in ihrem Weltbewußtsein voran bringen. Die uns helfen, zwischen richtigen und falschen Wegen zu entscheiden.
Angesichts der Herausforderungen auf unserem kleinen Planeten ein womöglich überlebenswichtiger Schritt. Nur so können wir zum Beispiel die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien schaffen. Und die Atomtechnologie als zutiefst den einzelnen Menschen verachtenden, demokratiefeindlichen Irrweg verabschieden.
Denn Tschernobyl und Fukushima haben gezeigt, dass die Lüge elementarer Bestandteil einer solchen Technik ist, entweder weil ein militärisches Geheimnis oder eine teure Investition wichtiger sind als das Recht von Betroffenen auf vielleicht überlebenswichtige Information.
Deshalb sollten wir diese Orte zu Welt-Mahn-Erben ernennen und durch die UNESCO anerkennen lassen. Vorschlagsberechtigt sind Organisationen und Staaten. Laden wir doch unsere Bundesregierung und Naturschutzorganisationen ein, diese Idee zu verbreiten und andere ins Boot zu holen. Lernorte für die Zukunft können schließlich alle gebrauchen.
Mit dem [1][Projekt shine] geben wir diesem Lernen eine internationale Plattform, mit einem Konzert für Tschernobyl und Fukushima in der Geisterstadt Pripyat und weiteren Aktionen zum Jahrestag.
21 Apr 2011