taz.de -- Nach Kritik an japanischer Regierung: Atomberater tritt zurück

Die festgelegten Grenzwerte für Grundschulen waren ihm zu hoch. Man wolle sich nur Zeit verschaffen, kritisierte der Regierungsberater und Wissenschaftler Kosako. Und trat zurück.
Bild: Tränenreicher Abschied: Berater Kosako.

TOKIO dapd | Aus Protest gegen seiner Ansicht nach zu hoch angesetzte Grenzwerte nach der Atomkatastrophe von Fukushima ist ein Berater der japanischen Regierung zurückgetreten. Er könne es nicht vertreten, dass die Regierung den seiner Einschätzung nach unangemessenen Grenzwerte von 20 Millisievert pro Stunde für Grundschulen in der Nähe von Fukushima festgesetzt habe, erklärte Toshiso Kosak am Freitagabend.

Der Professor für atomare Strahlung an der Universität Tokio war im März von Ministerpräsident Naoto Kan als Berater ernannt worden. Regierungsberater genießen in Japan großen Respekt und es kommt äußerst selten vor, dass Wissenschaftler ihren Beraterposten aus Protest gegen die Regierungspolitik räumen.

"Ich kann das als Wissenschaftler nicht zulassen", sagte Kosako während einer tränenreichen Pressekonferenz am Freitagabend. "Es erscheint mir, als ziele die Reaktion der Regierung lediglich darauf ab, sich Zeit zu verschaffen." Kosako habe auch mangelnde Transparenz bei der Strahlungsmessung rund um den Meiler und die Anhebung der Grenzwerte für Arbeiter in der Anlage kritisiert, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo.

Ministerpräsident Kan verteidigte hingegen das Krisenmanagement seiner Regierung. "Wir begrüßen unterschiedliche Sichtweisen unter unseren Beratern", sagte er am Samstag im Parlament.

Unterdessen versammelten sich am Samstag rund 450 Demonstranten im Yoyogi Park in Tokio. Sie schlugen Trommeln und skandierten Parolen gegen die Atomkraft. "Elektrizität in Tokio - Opfer in Fukushima" war auf einem Transparent zu lesen. "Ich wusste immer, dass Atomkraft gefährlich ist", sagte eine der Demonstrantinnen, Yoshiko Nakamura. "Das ist eine gute Möglichkeit, meine Ängste zu äußern."

30 Apr 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Radioaktive Luft soll gereinigt werden: Arbeiter in Fukushima 1

In 10-Minuten-Schichten: Arbeiter sind in einem Gebäude des havarierten AKW Fukushima. Sie bauen Luftfiltermaschinen auf. Mit ihnen soll die Radioaktivität aus der Luft absorbiert werden.

Aktuelle Lage in Fukushima: Gefährliche Strahlengurke

Erste offizielle Daten über die nukleare Belastung in Fukushima zeigen, dass die Grenzwerte teilweise weit überschritten sind. Die WHO weist indes Kritik zurück.

Atomkatastrophe in Japan: Greenpeace will Verstrahlung prüfen

Bis heute gibt es keine objektiven Daten zur Strahlenverseuchung in Fukushima, Japans Regierung hält weiter Informationen zurück. Jetzt will Greenpeace versuchen, Messungen vorzunehmen.

Atomare Katastrophe in Japan: Panne in weiterem AKW

Im Kühlwasser des AKW Tsuruga II sind erhöhte radioaktive Werte gemessen worden. Keine Gefahr für die Umgebung, sagen die Behörden. In Fukushima sollen Arbeiter Reaktor 1 wieder betreten.

Aktuelle Lage in der Atomwelt: Drei US-Reaktoren notabgeschaltet

Die Situation in den Reaktoren bei Fukushima bessert sich. In den USA muss ein AKW nach den Tornados heruntergefahren werden und Indien stoppt vier Reaktorgenehmigungen.