taz.de -- Kann man das Ende bin Ladens feiern?: Eine Frage der Moral
Nach den tödlichen Schüssen auf den Terroristen Osama bin Laden versammeln sich hunderte Menschen in Washington und New York und jubeln. Richtig so?
Man kann die Bilder der in den USA das Ende Osama bin Ladens feiernder Menschen wahrscheinlich gruppenpsychologisch erklären in einem Land, das infolge ruchloser Mordbefehle des Al-Qaida-Chefs tausende Männer, Frauen und Kinder verloren hat – diese Opfer durch das Wort „unschuldig“ noch zu adeln, ist hier gar nicht nötig.
Nachvollziehbar ist dieser Jubel in einem Land, wo die Mehrheit des Volkes sowieso kein Problem mit der Todesstrafe hat und tödliche Schüsse auf einen Massenmörder als ein legitimes Mittel gelten, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, wie US-Präsident Barack Obama dies sagte. Klar ist auch, dass in der offen zur Schau gestellten Freude vieler Amerikaner die Hoffnung mitschwingt, dass nun ein nationales Trauma zumindest ein wenig geheilt werden kann.
Schon die übliche Chiffre 9/11 illustriert ja, wie die tief dies Trauma saß und wohl noch sitzt: dass es dafür noch nicht einmal ein richtiges Wort gab, ja dass dieser Massenmord in New York und Washington vor knapp zehn Jahren etwas Unnennbares war, Teufelsnamen gleich, die man nicht auszusprechen wagt.
Ein letzter Grund für den Jubel mag sein, dass zudem viele US-Bürger durch den „war on terror“ Gefallene im eigenen Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis zu beweinen hatten. Schließlich war es bin Laden, der den US-Amerikanern diesen Krieg aufgezwungen hat, wie blutig und falsch er seitdem auch von den USA geführt sein mag – ein Krieg, an dem auch Deutschland weiter beteiligt ist, nebenbei bemerkt.
Legitimation des Tyrannenmords
Aber wie ist das hier in diesem Land, das in zehn Jahren nie von einem Al-Qaida-Attentat betroffen war: Muss man sich, auch ohne lauten Jubel, eines Gefühls der Genugtuung über den Tod bin Ladens schämen? Ein Gefühl, das insgeheim aufkommen mag, auch wenn man nicht US-Bürger ist, nie selbst vom Terror betroffen war und die Todesstrafe als Mittel der Gerechtigkeit ablehnt?
Die Frage nach der Legitimation des Tyrannenmords beschäftigt die Menschheit seit zweieinhalbtausend Jahren – und wahrscheinlich kann es darauf keine endgültige Antwort für alle Menschen und alle Zeiten geben. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn bin Laden vor einem amerikanischen Gericht gestanden hätte – aber den ersten Berichten zufolge hat er es in seinem pakistanischen Zufluchtsort abgelehnt, sich zu ergeben. Insofern war dieses schnelle Ende bin Ladens vielleicht unvermeidbar, zumal ein Gerichtsverfahren gegen ihn aller Voraussicht nach den gleichen Ausgang genommen hätte.
Bin Laden hat die vielen Opfer von 9/11 öffentlich nie bedauert, ja am Ende für diese Bluttat und die Attentäter geschwärmt. Zwar ist Jubel über seinen Tod hierzulande weder nachzuvollziehen noch angemessen. Aber für eine gewisse Genugtuung darüber, dass dieser Massenmörder nicht gnadenvoll im Kreis der Familie nach einem langen Leben im Bett starb, sollte man sich nicht schämen. Auch dies Ende bin Ladens ist, alles in allem, gerecht. Wer aber den Tod eines Menschen bejubelt, befleckt sich selbst.
2 May 2011
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