taz.de -- Kommentar Kirchentag: Den Neidern die Pest an den Hals

Die Darstellung von Frau Käßmann in der "taz" löst bei den Lesern heftige Reaktionen aus. Nun hatte diese Mischung aus Anne Frank und Joan Baez auch noch Geburtstag.
Bild: Public Viewing: Frau Käßmann Auftritt wir wegen des großen Andrangs auf einer Videoleinwand übertragen.

DRESDEN taz | Menschen gehen uns an, uns, die taz! Böse sind sie mit uns. Wie können Sie so etwas schreiben? Die Klage gilt unseren Bemerkungen zu Margot Käßmann. Dass sie so mainstreamig sei und überhaupt keinen Mut habe, weil alles, was sie sagt, alle sagen, nicht nur sie.

Und was nun wirklich alle so vor sich hin meinen, kann man schlecht als dissident nehmen. Aber die Menschen sind gekränkt und verletzt: Die Margot Käßmann - manche nennen nur ihren Vornamen, wenn sie von ihr sprechen - sei doch eine ganz Tapfere. Einer ergänzt, als er uns auch seine Kritik mitteilen kann, er sei bei ihr zuhause gewesen, und sie einfach eine ganz freundliche, alles sei einfach gewesen. Er wollte sagen: ohne Pomp, fast nachbarschaftlich, auf alle Fälle nicht dekadent aufdringlich.

Ja, so geloben wir: So sehen wir die Gestrauchelte jetzt auch. In der Veranstaltung "Nachtmusik und Nachtgedanken" - ein Titel, der nur Schlechtgelaunten als Allerleiverheißung vorkommen kann - in der berühmten Kreuzkirche sagt sie, was sie immer sagt. Krieg ist doof und das müsse jetzt mal gesagt werden. Wie immer: wärmster Beifall.

Ein echt evangelischer Blumenstrauß

Moderator Joachim Zirkler ist ihr mehr ein Stichwortgeber als ein Frager. Dann dauert die Veranstaltung leicht länger als 60 Minuten - so schlägt es Mitternacht, woraufhin Herr Zirkler sagt, Margot Käßmann habe Geburtstag. So singt es in der Kirche vor brutal gefüllten Rängen und im Parkett herzlich "Viel Glück und viel Segen / Auf all deinen Wegen". Und bekommt noch einen wirklich nicht besonders hübschen Blumenstrauß überreicht, er sieht klein und knuffig aus. Nicht jedoch unziemlich üppig: echt evangelisch vorsätzlich bescheiden.

Margot Käßmann ist immer noch der Superstar des Kirchentages, sie ist, falls dieser Vergleich nicht manchen wieder hässlich erschiene, so eine Art Cher des Kirchenwesens, wenn auch nicht so spektakulär gekleidet: unverwüstlich, irgendwie kühl, doch menschenfreundlich, ohne besondere Neigung, ins Leidenschaftliche zu flüchten. All ihren Neidern und Missgünstigen sei eine fromme Pest an den Hals gewünscht, ihr aber ein Herzliches Glückwunsch!

3 Jun 2011

AUTOREN

Jan Feddersen
Jan Feddersen

TAGS

Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025
Kirchentag 2025

ARTIKEL ZUM THEMA

Kirchenstar Margot Käßmann: Mit Herz, Mund und Händen

Margot Käßmann wird Botschafterin des Reformationsjubiläums 2017 – eine gute Wahl für ihr Image. Und für das der evangelischen Kirche.

Resolutionen auf dem Kirchentag: Gute Menschen mit frommen Wünschen

Es sind keine offiziellen Äußerungen, eher Stimmungsbarometer. In Dresden wurden jede Menge Resolutionen beschlossen. Und deren Titel sind geradezu schmerzhaft konsenzfähig.

Lesbische und schwule Gläubige: Gottes Segen vorenthalten?

Kirche und Homosexualität. Von "widerlichen Schreiben leitender Geistlicher" und einem ziemlich entsetzten Podiumsgast Klaus Wowereit auf dem Kirchentag in Dresden.

"Trireligiöse Musik" in Dresden: Wer glaubt, neigt zum Singen

Wem das Herz voll ist von Gott, muss sich offenbar singend mitteilen - kofessionsübergreifend. Beim Kirchtag fand ein bemerkenswertes Konzert statt.

Nachtleben auf dem Kirchentag: Ein Fass Bier als Absacker

Von "Kultur" bis "Arschfotos". Die Abendgestaltung auf dem evangelischen Laientreffen hat viele Facetten. Was Protestanten tun, wenn es dunkel wird in Dresden.

Gleichstellung gescheitert: Emanzipation als Karrierehemmnis

Warum Feminismus nichts mit Feminisierung zutun hat. Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentages, über Gleichberechtigung und gescheiterte Quoten.

Kommentar Kirchentag: Friede, Freude, Eierkuchen

Leidenschaftlich werden Christen, wenn es um die Sonntagsruhe geht. Bei Themen wie Atomkraft und Migration wirken sie zauderhaft. Was ist da schief gelaufen?

Kommentar Kirchentag: Wortdurchfall in Dresden

Würden doch einfach alle mal die Klappe halten. Aber das geht nicht, denn das Wort des Herren ist allgegenwärtig. Gott erhebt Einspruch wie ein schmieriger Anwalt.

Protestanten und Integration: Du sollst Götter haben neben mir

Der beste Schwiegersohn aller Zeiten bekräftigte: der Islam gehört zu Deutschland. Bei Bundespräsident Wulff ist von Islamophobie nichts zu spüren.

Zahlen und Fakten zum Kirchentag: 990 Badewannen Getränke

Wie viele Brötchen essen eigentlich 145.000 Menschen? Wo schlafen die alle? Was haben Triebwagen mit dem Kirchentag zu tun? Und vor allem: Was kostet das den Steuerzahler?