taz.de -- Neuer Chef bei al-Qaida: Der Bart als Auswahlkriterium

Eiman al-Sawahiri ist vom "Generalkommando" von al-Qaida via Videobotschaft zum Nachfolger von Osama Bin Laden erklärt worden. PR-mäßig geht da noch was, al-Qaida!
Bild: Ellbogen-Chauvinist: Bin-Laden-Nachfolger Eiman al-Sawahiri.

Das Terrornetzwerk al-Qaida hat den Ägypter Eiman al-Sawahiri zu seinem neuen Anführer bestimmt. Das geht aus einer Botschaft hervor, die am Donnerstag auf einer einschlägigen Islamisten-Website im Internet veröffentlicht wurde. Beruhigend zu wissen, dass alles seinen institutionalisierten Gang geht und auch ein Terrornetzwerk wie eine Behörde funktioniert. Aber die PR-Strategie ist definitiv noch ausbaufähig.

Also erst einmal wäre diese Personalie durchaus Anlass für eine Pressekonferenz gewesen, mit anschließender Frage-und-Antwort-Stunde. Schließlich wäre vermutlich auch der eine oder andere aus der Kaderschmiede des Al-Qaida-Nachwuchses auf den Posten scharf gewesen und man hätte gerne gewusst, nach welchen Kriterien die Machtfrage letztendlich entschieden wurde.

Womöglich gab es eine Kampfabstimmung - oder ein Bewerbungsverfahren wie beim IWF. Lagen aussagekräftige Bewerbungsunterlagen von Gegenkandidaten vor, mit Lebenslauf und Kampferfahrung? War der Bart ein Ausschlusskriterium?

Wenn die Kommunikation nach außen bezüglich der internen Job-Vergabe weiterhin so undurchsichtig bleibt, ist es wohl Zeit für eine investigative Reportage, "Inside al-Qaida" - die schonungslos die Ellbogenmethoden der hartgesottenen Taliban aufdeckt. Bisher muss der interessierte Bürger, um den neuen Mann an der Spitze des bekanntesten internationalen Terrornetzwerks näher kennenzulernen, auf Agentur- und CNN-Material zurückgreifen. Den Kollegen liegt zwar einiges an Informationen zu Werdegang, Ausbildung, Elternhaus vor, aber man möchte doch wissen: Wer ist der Mann unter dem Turban, what makes him tick? Es gibt Aufnahmen von al-Sawahiri vor einer Bücherwand – ein altbewährter Trick: Er verleiht sich so ein intellektuelles Image, was aber, vorallem im Vergleich zum charismatischen Bin Laden, auch etwas angestaubt wirkt.

Es steht zu befürchten, dass al-Qaida mit diesem bereits in die Jahre gekommenen Hardliner ein Wahrnehmungsproblem bekommt. Natürlich hat al-Sawahiri bereits das neue al-Qaida-Programm angekündigt, was aber so ziemlich dem alten entspricht: "Wir loben die arabischen Revolutionen" und "Wir werden alles tun, um die muslimischen Gefangenen zu befreien", sagte der neue Terror-Chef. Auch weitere Anschläge seien geplant.

Interessant wäre es jedoch gewesen zu erfahren, ob, wie schon mehrfach aus den Trainingslagern gefordert, eine weitere Führungsebene geplant ist, um die Entscheidungen innerhalb der Zelle etwas kontroverser zu diskutieren und gegebenenfalls zu verjüngen. Unausweichlich ist ebenfalls der Ausbau der IT-Abteilung.

Am besten wäre es, man käme mit der internationalen Presse zu einem zwanglosen Empfang mit Häppchen zusammen und stellte sich der Frage, vor der auch al-Qaida sich nun nicht mehr verschließen kann: Wäre es nicht langsam auch mal Zeit für eine Frau?

16 Jun 2011

AUTOREN

Julia Niemann

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