taz.de -- Journalistin über Lesben in Medien: "Es sei denn, sie sind Mütter"
Die Kommunikationswissenschaftlerin Elke Amberg über die kaum vorhandene Präsenz von Lesben in den Medien, die Vorteile der Schwulen und die Reduktion auf Mutterrollen und gutes Aussehen.
taz: Frau Amberg, in Ihrer Studie "Schön! Stark! Frei!" haben Sie untersucht, wie lesbische Frauen in den Medien dargestellt werden. Was haben Sie herausgefunden?
Elke Amberg: Lesben werden in der Presse nicht benannt, sie kommen als gesellschaftliche Gruppe also nicht vor. Sie werden selten zitiert und stehen fast nie im Mittelpunkt eines Textes. Die Berichterstattung über Homosexuelle dominieren schwule Männer.
Zeitungen schreiben doch aber immer mal wieder über lesbische Mütter.
Das stimmt. Aber das passiert äußerst selten, und das ist die einzige "Rolle", in der Lesben vorkommen. Auch dann heißt es nicht "lesbische Frauen", sondern "zwei Mütter" oder "Regenbogenfamilie". Der Begriff "lesbisch" ist in den Medien offenbar noch stark tabuisiert.
Warum ist das so?
Schwule Männer haben unter anderem durch die Aids-Krise und die dadurch gewonnene Medienpräsenz inzwischen eine andere gesellschaftliche Akzeptanz. Der Begriff "schwul" konnte Karriere machen, sogar in der konservativen Presse. Selbst wenn ein Artikel heute Lesben und Schwule betrifft, beispielsweise beim Steuerrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, steht vielfach in der Überschrift "Steuersplitting für Schwule". Das ist schlichtweg falsch. Denn Lesben betrifft es genauso.
Spricht es nicht für Gleichstellung, wenn Zeitungen von "Homosexuellen" sprechen, weil damit Lesben und Schwule gemeint sind?
Das wäre schön, aber das Wort homosexuell ist konnotiert mit schwul und Mann. Da heißt es im Text Homo-Ehe und Homo-Hochzeit. Das wird auch so weitergetextet: Homo-Partner und Homo-Gatte. Und im Bild sieht man auch nur Männer.
Schwule Männer treten in der Öffentlichkeit offensiver auf. Da wundert es kaum, dass die Presse sie stärker wahrnimmt.
Meine Analyse von 81 Artikeln aus vier Tageszeitungen hat ergeben, dass eine Vielzahl schwuler Aktivisten und geouteter Politiker genannt oder zitiert wurde und nur eine lesbische Aktivistin und eine Prominente.
Vielleicht ist es manchen lesbischen Frauen ja auch ganz Recht, dass sie nicht im Mittelpunkt stehen.
Das kann ich nicht beurteilen. Aber Fakt ist, dass Lesben historisch zunächst einmal mit ganz anderen existenziellen Themen zu kämpfen hatten und heute noch haben, nämlich mit den "ganz normalen" Frauenthemen: Selbstbestimmung über ihren Körper, Geschlechterrollen, Gewalt, eigenes Einkommen.
Tragen öffentlich präsente Lesben wie die Moderatorinnen Anne Will und Dunja Hayali oder Schauspielerinnen wie Ulrike Folkerts und Maren Kroymann nicht zur Öffnung lesbischen Lebens bei?
Das tun sie. Trotzdem sind lesbische Frauen nicht so öffentlich wie schwule Männer. Fragt man Leute auf der Straße nach prominenten Homosexuellen, nennen sie in der Regel schwule Männer.
Liegt das auch daran, dass prominente Lesben das öffentliche Coming-out fürchten?
Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen und selbstbewusst auftreten, bläst oft ein strenger Wind entgegen. Sobald etwas nicht perfekt ist, wird entweder ihre Kompetenz oder ihre Weiblichkeit infrage gestellt. Lesben, die zu ihrer Lebensweise stehen, bieten da eine "offene Flanke". Sie müssen eine gehörige Portion Mut aufbringen, die Klaviatur der Medien gut beherrschen und am besten noch perfekt aussehen.
Weniger feminine Lesben haben es schwerer?
Das habe ich in meiner Studie nicht untersucht. Aber es gibt Analysen über die Darstellung lesbischer Frauen im Fernsehen. Die sehen alle gut aus, sind schlank, langhaarig und immer gut geschminkt. In diesem Raster dürfen lesbische Frauen im TV vorkommen.
Wenn sie nicht so aussehen, kommen sie nicht ins Fernsehen und nicht in die Zeitung?
Es sei denn, sie sind Mütter.
17 Jun 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Kinder lesbischer oder schwuler Paare erleben ihre familiäre Situation als völlig normal. Doch die Hetero-Umwelt hat oft Schwierigkeiten Homo-Familien zu verstehen.
"Anne Will" bleibt Anne Will und wird doch ganz anders. Nächsten Mittwoch startet sie auf ihrem neuen Sendeplatz. Dann kommt auch Edmund Stoiber.
Was kann man für mehr Chefinnen und gegen die "Narben" im Lebenslauf der Frauen tun? Die FachministerInnen der Länder sind da noch sehr unterschiedlicher Meinung.
Syriens bekannteste Bloggerin berichtete von der Revolution - und war ein Medienstar. Jetzt wurde bekannt: Es gibt sie nicht, ein Amerikaner hat sie erfunden.
Kirche und Homosexualität. Von "widerlichen Schreiben leitender Geistlicher" und einem ziemlich entsetzten Podiumsgast Klaus Wowereit auf dem Kirchentag in Dresden.
Lange Zeit hat sich die Regierung dagegen gewehrt: Nun erwägt sie eine Studie zur Lebenssituation junger Schwuler und Lesben. Die bisherigen Daten sind veraltet.
Eine 24-jährige Lesbenaktivistin wird in einem Township vergewaltigt und brutal ermordet – kein Einzelfall, sondern ein neues Beispiel von "corrective rape".
Sie war parteilos, lebte offen lesbisch und kämpfte als erste Frauensenatorin Berlins für die Gleichberechtigung. Am Samstag ist die streitbare Rechtsanwältin Anne Klein gestorben.