taz.de -- Ehec-Keime durch Samen für Bockshornklee: Verdächtige Sprossen

Die Samen aus Ägypten für Bockshornklee wurden an Ausbruchsorte des Keims in Deutschland und Frankreich geliefert. In Paderborn wird ein Massentest durchgeführt.
Bild: Vieles spricht dafür, dass Samen für Bockshornklee mit Ehec-Keimen infiziert war.

BERLIN taz | Der lebensgefährliche Ehec-Keim ist den Behörden zufolge offenbar über Sprossensamen aus Ägypten in die Lebensmittelkette gelangt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte am Freitag, "dass zur Sprossenherstellung verwendete Bockshornkleesamen mit großer Wahrscheinlichkeit Ursache des Ausbruchs waren."

Allein in Deutschland sind seit Beginn der Epidemie Anfang Mai 48 Menschen an den Folgen einer Ehec-Infektion gestorben.

Auf Ägypten deutet laut BfR hin, dass aus den Samen an zwei voneinander unabhängigen Ausbruchsorten in Deutschland und Frankreich Sprossen gezogen worden waren: sowohl auf einem Hof im niedersächsischen Bienenbüttel als auch in einem Kinderfreizeitzentrum im südfranzösischen Bègles.

Alle fünf französischen Patienten mit dem aggressiven Ehec-Typ O104:H4 und ein Großteil der deutschen Erkrankten hatten die Sprossen gegessen.

Allerdings konnte der Keim bisher nicht per Labortest in den Samen nachgewiesen werden. Eine 2009 erzeugte und 2011 benutzte Lieferung mit Bestandteilen aus Ägypten war bereits verbraucht, als die Behörden den Betrieb in Niedersachsen überprüften.

Auch in einer weiteren Charge aus dem Jahr 2010 wurden die Ermittler bislang nicht fündig. Allerdings weisen Experten darauf hin, dass nicht alle Samen einer Lieferung kontaminiert sein müssen.

Es ist auch nicht erwiesen, dass die Samen in Ägypten verseucht wurden. Denn die Chargen für Niedersachsen und Bègles wurden über denselben Zwischenhändler in Deutschland geliefert. Denkbar ist also auch, dass der Keim dort auf die Ware überging.

800 Kinder und andere Kunden werden untersucht

Auf jeden Fall warnt das BfR weiter davor, Sprossen roh zu essen - egal ob gekaufte oder selbstgezogene. Die Warnung gilt auch für andere Arten als Bockshornklee, da diese bei Zwischenhändlern kontaminiert werden könnten; etwa wenn Sojasamen durch eine Maschine gehen, durch die zuvor verseuchter Bockshornklee gelaufen war.

Unterdessen setzten die Behörden nach Ehec-Infektionen an einer Grundschule bei Paderborn einen Massentest an. In den nächsten Tagen sollen 800 Kinder und andere Kunden eines Caterers auf den Erreger untersucht werden. Die Fleischerei beliefert auch die Schule, in der drei Jungen am von Ehec verursachten hämolytisch-urämischen Syndrom erkrankt waren.

Weitere 14 Schüler haben sich ebenfalls angesteckt, allerdings ohne erkrankt zu sein. Auch bei Mitarbeitern der Fleischerei ist der Ehec-Erreger nachgewiesen worden.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) begründete einen Umsatzrückgang des Einzelhandels im Mai um rund 3 Prozent gegenüber dem Vormonat auch mit der Ehec-Welle. "Die Ehec-Krise hat die Verbraucher verunsichert", sagte Verbandssprecher Kai Falk.

Am Anfang der Ermittlungen hatten die Behörden vorübergehend geraten, auch Gurken, Tomaten und Blattsalate nicht roh zu verzehren. Allerdings liegt das Umsatzminus laut HDE auch an gestiegenen Energiekosten und Krankenkassenbeiträgen. (mit dpa)

1 Jul 2011

AUTOREN

Jost Maurin

ARTIKEL ZUM THEMA

Die Folgen des Ehec-Skandals: Die Triebe der Sprossen

Zwei Betriebe im Norden gerieten 2011 in den Verdacht, die Quelle des Ehec-Erregers zu sein. Während der eine alles verloren hat, profitierte der andere von der Aufregung.

Der "Gärtnerhof" in Bienenbüttel nach Ehec: "Ich hatte Angst"

Im Nachhinein stellte sich heraus: Keine Probe vom "Gärtnerhof" in Bienenbüttel war mit Ehec kontaminiert. Doch für die Leute auf dem Hof ist nichts mehr, wie es war.

Bockshornklee mit Ehec-Erregern: Arzneimittel vom Markt genommen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ruft Magen-Darm-Mittel mit Bockshornklee-Samen zurück. Unterdessen klagt der Sprossenhof in Bienenbüttel.

Importverbot für ägyptische Sprossensamen: Weitere Ehec-Infektionen befürchtet

Die Einfuhr von bestimmten Sprossensamen aus Ägypten ist verboten. Restbestände müssen vernichtet werden. Betroffen davon sind neben Bockshornklee auch Soja und Ölsamen.

Meldesystem für Infektionen auf Prüfstand: Zu spät informiert

Die obersten Krankheitsbekämpfer des Bundes möchten, dass Ärzte Infektionen künftig online melden. Experte klagt, er hätte zu spät von den Ehec-Infektionen erfahren.

Identische Erreger entdeckt: Gehäufte Ehec-Fälle in Frankreich

In Bordeaux haben sich mehrere Menschen mit Ehec infiziert. Es handelt sich um den Erregerstamm, der auch die Epidemie in Deutschland ausgelöst hat.

Ehec-Erreger in Deutschland: Sprossenhersteller angezeigt

Nach einer Anzeige ermitteln Staatsanwälte gegen den Hersteller der Sprossen in Bienenbüttel. Experten warnen zudem vor einer Gefahr durch die gefährlichen Darmbakterien im Trinkwasser.

Debatte Ehec: Bakterien sehen dich an

Die letzten Wochen und der Umgang mit dem Ehec-Erreger haben gezeigt, wie weit es im Umgang mit Lebensmitteln in Deutschland schon gekommen ist.