taz.de -- Zivilprozess in den USA: Terrorgefangener in der Grauzone

Der Angeklagte wurde im Ausland festgenommen und steht nun in den USA vor Gericht. Das Verfahren gegen den terrorverdächtigen Somalier wirft juristische Fragen auf.
Bild: Der Fall des terrorverdächtigen Somaliers ist für das US-Zivilgerichtein Novum.

BERLIN taz | Der Somalier Amned Abdulkadir Warsame steht in New York vor Gericht. Die neun Punkte umfassende Anklage wirft ihm vor, ein Verbindungsmann zwischen der in Somalia operierenden islamistischen al-Shabab und der vom Jemen aus agierenden al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel zu sein.

Warsame droht lebenslange Haft. Sein Fall erregt in den USA besondere Aufmerksamkeit, weil es das erste Mal ist, dass ein im Ausland unter Terrorverdacht Festgenommener in den USA vor ein Zivilgericht gestellt wird.

Warsame war am 19. April 2011 auf einem Boot bei der Überfahrt von Jemen nach Somalia gefangen genommen und seither an Bord eines US-Kriegsschiffes vernommen worden. Die Verhöre, bei denen laut US-Militärangaben wichtige Informationen über beide Organisationen gewonnen werden konnten, gliederten sich in zwei Teile: Zunächst wurde Warsame vom Militär verhört. Erst nach rund zwei Monaten kamen FBI-Ermittler hinzu, die ihn auf sein Recht hinwiesen, die Aussage zu verweigern und einen Anwalt zu konsultieren. Nur die Ergebnisse dieser zweiten Verhörserie dürften in einen Prozess einfließen.

Führende Republikaner im Kongress kritisierten die Verlegung Warsames auf US-amerikanisches Festland. Der US-Kongress hatte die Pläne von Präsident Barack Obama blockiert, Prozesse gegen Guantánamo-Gefangene vor Zivilgerichten in den USA stattfinden zu lassen.

Juristisch bewegt sich der Fall Warsame in einer Grauzone: Die mehrmonatige Inhaftierung wird mit dem Kriegszustand begründet, in dem sich die USA mit al-Qaida befände - um dann mittendrin auf normales Strafrecht umzuschwenken. Sicher ist, wie es Vizeadmiral William McRaven letzte Woche vor einem Senatsausschuss ausdrückte, dass die Regierung keine kohärente Idee hat, wie sie mit Gefangenen tatsächlich umgehen soll.

6 Jul 2011

AUTOREN

Bernd Pickert

ARTIKEL ZUM THEMA

Imagepflege im Netz: Wow! Obama kann live twittern

Mit je 140 Zeichen hat der US-Präsident Fragen zu diversen Politikfeldern beantwortet. Obama meint, er habe damit Geschichte geschrieben - zumindest PR-Geschichte.

US-Justiz untersucht Rolle der CIA: Waterboarding bleibt nicht folgenlos

Wegen ihrer Verhörmethoden in einem irakischen Gefangenenlager wird gegen CIA-Agenten ermittelt. Allerdings nur in zwei Fällen - für weitere sieht die Regierung Obama keinen Bedarf.

Handy von Bin Ladens Kurier ausgewertet: Osamas geheime Ladenhüter

Ein sichergestelltes Handy von bin Ladens Kurier verrät Kontakte des Al-Qaida-Chefs zum pakistanischen Geheimdienst. Clinton droht Pakistan mit dem Entzug von Militärhilfe.

Die Heimat des neuen Al-Qaida-Chefs: Ein Haus voller Sawahiris

Aiman Al-Sawahiri kommt aus einer Kairoer Ärzte-Familie. "Er war eigentlich ein angenehmer Mensch", sagt ein Studienkollege heute über ihn.

Deutscher Top-Terrorverdächtiger: Von den USA überstellt

Monatelang hielten die USA Ahmad S. in Afghanistan gefangen. Nun sitzt er hier in U-Haft. Er soll an der afghanisch-pakistanischen Grenze auf Seiten der Islamisten gekämpft haben.

Berliner Terrorverdächtiger: Zwei Jahre für Taliban-Helfer gefordert

Fatih K. hat den "Deutschen Taliban Mudschahidin" Geld überwiesen - und hätte fast selbst gekämpft. Bundesanwaltschaft fordert Haft ohne Bewährung.