taz.de -- Kommentar Ägyptens Revolution: Anklage Mubaraks wäre ein Signal
Der ägyptische Militärrat fällt alle wichtigen Entscheidungen, der Spielraum für die neue Übergangsregierung ist begrenzt. Mubaraks Weggenossen sind noch immer am Werk.
Und wieder kriecht die ägyptische Revolution im Kampf zwischen Alt und Neu ein kleines Stückchen voran. Lange hatten die Demonstranten auf dem Tahrir eine neue Übergangsregierung gefordert, jetzt hat der Übergangspremier Essam Scharaf mit einer Kabinettsumbildung reagiert. Es ist keine junge Revolutionärregierung mit neuen Köpfen vom Tahrirplatz. Stattdessen versucht Scharaf, die Zeit bis zu den Wahlen mit Technokraten zu überbrücken, die in weiten Teilen der Bevölkerung Respekt genießen.
Gemessen werden müssen die neuen Minister jetzt an den konkreten Taten, mit denen sie das stagnierende Land weiterbringen. Aber an einem entscheidenden Punkt kann Scharaf nicht rütteln: Alle wichtigen strategischen Entscheidungen werden weiterhin vom hohen Militärrat gefällt, und der wird immer noch von Feldmarschall Mohammed Tantawi, einem Mann der alten Mubarak-Garde, geleitet.
Der Spielraum der neuen Regierung ist damit de facto begrenzt. Am Ende wird eine neue Regierung nur konsequent gegen das Alte vorgehen können, wenn sie es schafft, zusammen mit dem Tahrirplatz mehr Druck auf den Militärrat auszuüben.
Ob die Menschen auf dem Tahrir tatsächlich neuen Wind verspüren, wird in den nächsten Wochen vor allem in den ägyptischen Gerichtssälen geklärt. Ein gutes Zeichen ist, dass nun endlich der Prozess gegen den verhassten ehemaligen Informationsminister Anas al-Fiki begonnen hat und dieser erstmals öffentlich übertragen wird. Ein schlechtes, dass der Anwalt des gestürzten Diktators Mubarak schwer daran arbeitet, seinem Mandanten aus Gesundheitsgründen die Verhandlungsfähigkeit abzusprechen. Ein Mubarak vor Gericht wäre seit seinem Sturz das wohl symbolträchtigste Signal dafür, dass in Ägypten neue Zeiten angebrochen sind.
18 Jul 2011
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