taz.de -- Anschlag in Afghanistan: Bürgermeister von Kandahar getötet

Ein Selbstmordattentäter mit einer Bombe im Turban riss Ghulam Haider Hamidi mit in den Tod. Hamidi galt als möglicher Nachfolger von Präsident Karsais ermordetem Halbbruder.
Bild: Ermordet: Ghulam Haider Hamidi, Bürgermeister von Kandahar.

KABUL dapd | Zwei Wochen nach dem Mordanschlag auf den Halbbruder von Präsident Hamid Karsai ist einer seiner möglichen Nachfolger ums Leben gekommen. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Mittwoch in der Stadt Kandahar in die Luft und riss Bürgermeister Ghulam Haider Hamidi und einen Zivilisten mit in den Tod. Zwei Menschen wurden Behördenangaben zufolge bei dem Anschlag verletzt. Zu der Tat bekannten sich die Taliban.

"Der Selbstmordattentäter hat die Sprengsätze in seinem Turban versteckt", sagte der Vize-Polizeichef der Provinz Kandahar, Scher Schah Jussafsai. "Als der Bürgermeister zur Arbeit erschien, zündete der Attentäter die Sprengsätze." Ein Regierungsmitglied bestätigte den Tod des Bürgermeisters, der als ein möglicher Nachfolger von Ahmed Wali Karsai gehandelt wurde. Der Vorsitzende des Provinzrats von Kandahar galt als ungekrönter König in Südafghanistan. Er war am 12. Juli von einem seiner Leibwächter erschossen worden.

Einige bezweifelten allerdings, dass Hamidi wirklich die Nachfolge Wali Karsais antreten wollte. Hamidi lebte fast zwanzig Jahre in den Vereinigten Staaten und kehrte erst nach dem Zusammenbruch der Taliban-Herrschaft im Jahre 2001 in sein Heimatland zurück. Er galt als Verbündeter Wali Karsais, hielt sich jedoch im Hintergrund und verfügte offenbar über keinerlei nennenswerte Kontakte zu Stammesmitgliedern.

Taliban-Sprecher Kari Jussef Ahmadi sagte der Nachrichtenagentur AP, Hamidi habe die Zerstörung von Wohnhäusern angeordnet, die nach Angaben der Stadt illegal errichtet worden seien. Die Taliban hätten den Anschlag auf den Bürgermeister als Vergeltung für den Tod von zwei Kindern verübt, die bei der Zerstörung der Häuser getötet worden seien.

Der neue US-Botschafter in Afghanistan, Ryan Crocker, verurteilte den Anschlag. Er sei ein Beispiel, welche Herausforderungen noch bevorstünden. Die jüngsten Anschläge auf Karsai-Berater und Abgeordnete könnten allerdings auch ein Anzeichen dafür sein, dass die Taliban so geschwächt seien, dass sie Zuflucht zu Terroranschlägen nehmen müssten, sagte Crocker.

27 Jul 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Wikileaks-Dokumente: Italienisches Schutzgeld für Taliban

Italien soll die Taliban bezahlt haben, um die Sicherheit ihrer Soldaten in Afghanistan zu gewährleisten. Auch die USA sahen dafür ein Indiz - bis die Italiener angegriffen wurden.

Gefechte in Afghanistan: Taliban schießen US-Helikopter ab

In Afghanistan wurde ein amerikanischer Hubschrauber von einer Rakete getroffen. 30 US-Soldaten starben, es sind die schwersten Verluste seit 2001. Die Taliban bekennen sich zu dem Angriff.

Sicherheitslage in Afghanistan: Die Unsicherheit wächst

Der Westen zieht nach und nach Truppen und Geld aus Afghanistan ab. Bei der Bevölkerung vor Ort schwindet die Hoffnung auf Stabilität.

Offensive der Taliban in Afghanistan: Bomben, Attentate, Kämpfe, Morde

Die immer heftiger werdenden Taliban-Angriffe bringen die afghanische Regierung in schwere Bedrängnis. Sie sind eine Antwort auf die Nato-Strategie.

Nato-Chef Petraeus verläßt Afghanistan: Neuer starker Mann am Hindukusch

General Petraeus übergibt das Kommando in Afghanistan an seinen Nachfolger. Ein weiterer Mordanschlag auf einen Karsai-Vertrauten überschattet den Wechsel an der Nato-Spitze.

Anschlag in Afghanistan: Taliban töten Karsai-Berater

Selbstmordattentäter töten Karsai-Berater Chan und einen afghanischen Abgeordneten, während sie sich lange Gefechte mit der Polizei liefern. Die Taliban bekennen sich zu der Racheaktion.

Attentat auf Hamid Karsais Bruder: Der Blitzableiter lebt nicht mehr

Hamid Karsais jüngerer Bruder Ahmed Wali galt als Kriegsfürst, der auch in Drogengeschäfte verwickelt war. Für den afghanischen Präsidenten war er eine unersetzliche Stütze.

Abzug internationaler Truppen in Afghanistan: Offizieller Optimismus, zivile Zweifel

Die "Übergabe der Sicherheitsverantwortung" in Afghanistan soll beginnen. Das sorgt in der Bevölkerung für gemischte Gefühle. Und schon zu Beginn zeigen sich Unschärfen.

Afghanische Politiker im Interview: "Auch die Taliban werden nicht siegen"

Vertrauen und Versöhnung werden dem Land Frieden bringen. Ein Gespräch zwischen dem früheren Taliban-Botschafter Zaeef und Karsai-Berater Stanekzai - als wäre der Krieg schon vorbei.