taz.de -- Über 1.100 Festnahmen nach Krawallen: Straßenschlachten weiten sich aus

Die Krawalle in Großbritannien weiten sich aus. In mehreren Städten ist es zu schweren Ausschreitungen gekommen. Hunderte Jugendliche wurden festgenommen.
Bild: Eine brennende Barrikade in der Liverpooler Innenstadt.

LONDON dpa/dapd | Großbritannien hat die vierte Nacht in Folge mit Straßenschlachten und brennenden Häusern erlebt. Während es in der Hauptstadt London nach drei gewalttätigen Nächten in Folge weitgehend ruhig geblieben war, verlagerte sich die Szene in Städte wie Manchester, Liverpool und Birmingham.

Seit dem Beginn der Ausschreitungen am Wochenende hat die britische Polizei landesweit mehr als 1.100 Personen festgenommen. Allein im nördlichen Londoner Stadtteil Tottenham 768, wie Scotland Yard am frühen Mittwochmorgen berichtete. Gegen mehr als 160 mutmaßliche Randalierer wurde Anklage erhoben.

In London hat ein massives Aufgebot von 16.000 Polizisten dafür gesorgt, dass es nicht zu einer weiteren Nacht der Brandstiftungen und Plünderungen kommen konnte. Schwere Ausschreitungen meldete die Polizei dagegen aus Manchester, Nottingham und Birmingham. Auch in Salford, Wolverhampton, Liverpool West Bromwich, Bristol und Gloucester kam es zu Krawallen.

In Manchester lieferten sich Hunderte Jugendliche Straßenschlachten mit der Polizei. Vereinzelt kam es zu Brandstiftungen. Jugendbanden hatten mit der Polizei teils Katz und Maus gespielt, berichtete die Nachrichtenagentur pa. Ein hoher Polizeioffizier sagte in der Nacht zum Mittwoch, die Beamten würden die Kontrolle über die Innenstadt "Straße um Straße" wiedergewinnen. Bis zum späten Abend seien fast 50 Krawallmacher festgenommen worden. Am frühen Mittwochmorgen hieß es, die Zahl der Randalierer im Zentrum nehme ab.

In der Region um Birmingham wurden mehr als 100 Randalierer festgenommen. In Birmingham seien Geschäfte angegriffen worden. Auch in anderen Städten wurden Dutzende Krawallmacher von der Polizei in Gewahrsam genommen. In Nottingham wurde eine Polizeiwache mit Brandsätzen angegriffen. In Liverpool wurden mehrere Löschzüge der Feuerwehr attackiert.

Drei Tote in Birmingham

Am Rande der schweren Ausschreitungen im britischen Birmingham sind drei Männer mit einem Auto totgefahren worden. Der Vorfall habe sich in der Nacht zum Mittwoch an einer Tankstelle in der Innenstadt ereignet, teilte die Polizei am Morgen mit. Alle drei Männer seien noch in der Nacht im Krankenhaus an ihren schweren Verletzungen gestorben. Wenig später seien in der Nähe ein Auto sichergestellt und ein Mann festgenommen worden. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen Mordes ein.

Weitere Details wurden zunächst nicht veröffentlicht. Bisher ist nicht klar, ob der Vorfall direkt mit den Krawallen in der Stadt zu tun hat. Die BBC berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, die Männer hätten ihren Wohnblock vor den Randalierern schützen wollen. Sanitäter erzählten, es seien rund 80 Personen an der Tankstelle gewesen, als sie ankamen.

10 Aug 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Londons Oberbürgermeister: Energisch und ironisch

Boris Johnson war früher Vizechef der konservativen Tageszeitung "Daily Telegraph" - heute ist er der Oberbürgermeister der Hauptstadt Englands.

Blackberrys beim Aufruhr in Großbritannien: Die böse, böse Brombeere

Früher galt er als Pflicht für Manager, doch iPhone & Co. liefen ihm den Rang ab. Nun wird ausgerechnet der Blackberry zum Werkzeug der britischen Randalierer.

Reportage aus Tottenham: Kein Friede ohne Gerechtigkeit

Randalierende Jugendliche, betende Priester, überforderte Polizisten: In Tottenham nahmen die Riots in Großbritannien ihren Ursprung.

Kommentar Krawalle in London: Die unregierbare Weltstadt

Die britische Regierung reagiert hilflos auf die Gewalt in London, die mit Sozialprotest nichts zu tun hat. Die lokale Zivilgesellschaft reagiert erfindungsreicher.

Krawalle in Großbritannien: Londons heißer Sommer

Die britische Metropole ist zwar nicht sozial und geografisch segregiert, Arme und Reiche leben nebeneinander. Aber es sind Parallelgesellschaften entstanden.

Cameron verdreifacht Polizeikräfte: Erster Toter bei Krawallen in London

Ein 26-Jähriger erlag am Dienstag Schussverletzungen, die er sich bei den Unruhen zugezogen hatte. David Cameron nennt die Proteste kriminell und holt sein Parlament aus dem Urlaub zurück.