taz.de -- Rote Karte für Mario Götze: Ein friedliches Gemüt
Nach dem Platzverweis von Mario Götze wird klar: Keiner kennt den 19-jährigen Superstar von Borussia Dortmund und neuen Liebling der Fußballnation wirklich.
LEVERKUSEN taz | Irgendwann wurde die Debatte interessant. Die erste halbe Stunde nach dem Abpfiff des hochklassigen und überaus spannenden 0:0 zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund hatten wenig hilfreiche Kontroversen um die Platzverweise von Michal Kadlec (64., völlig berechtigt) und Mario Götze (77., sehr schwer zu beurteilen) dieses sehenswerte Fußballspiel überschattet.
Doch dann bereicherte Jürgen Klopp den Disput mit einer nachdenkenswerten These. "Ich finde, man darf die Persönlichkeit eines Spielers ruhig ein bisschen mitbewerten", sagte der Dortmunder Trainer, "und Mario ist der Letzte, der eine Tätlichkeit begehen würde." Götze sei "seit seinem 13. Lebensjahr in harte Zweikämpfe verwickelt und hat noch nie nachgetreten, warum sollte er heute damit anfangen?"
Den Zuhörern wurde schlagartig klar, dass sie den 19-Jährigen, der sich auf dem direkten Weg hinein in die Herzen der deutschen Fußballnation befindet, gar nicht wirklich kennen. Klar, es gibt den Zaubergötze, den leichtfüßigen Dribbler, der tatsächlich an Lionel Messi erinnert.
Diesen Mann, der vor wenigen Wochen den Fußballgiganten Brasilien an die Wand spielte. Doch wie Götze in Momenten des Drucks und der Frustration reagiert, ist unbekannt.
Offensichtlich ist, dass sein Spiel seit der Brasilien-Partie von einer gewissen Schwere begleitet wird, und vielleicht spielte dieser Gemütszustand in jener 77. Minute eine Rolle, als Hanno Balitsch den Dortmunder beharkte und foulte, woraufhin Götze sich irgendwie wehrte.
Selbst nach intensivem Studium der TV-Bilder blieben zwei Fraktionen mit völlig unterschiedlichen Meinungen zu der Szene zurück. Die einen, zu denen Schiedsrichter Wolfgang Stark gehört, meinte Götze "tritt nach, ob er trifft, ist nicht ausschlaggebend, und er spuckt dann auch noch Richtung Gegenspieler, aus meiner Sicht bleibt keine andere Wahl als die Rote Karte."
Die Dortmunder waren der Ansicht, die Situation sei völlig harmlos gewesen, "die verhaken sich, Hanno Balitsch zieht das Bein von Mario mit hoch, und dadurch sieht das für irgendwelche Menschen, die noch nie Fußball gespielt haben, so aus, als wollte er nachtreten", sagte Klopp.
Weil Götze bisher nur positiv aufgefallen ist, und auch weil Balitsch später von einem "ganz normalen Zweikampf" sprach, ist man geneigt, der Dortmunder Deutung zu folgen.
Allerdings ist Klopps Arbeit ein ewiger Balanceakt im Spiel mit den Aggressionen. Der Meistertrainer pusht seine Spieler emotional, das ist eine seiner großen Stärken. Doch im Rausch der Gefühle neigen die friedlichsten Gemüter bisweilen zur Übersprungshandlung. Vielleicht sogar ein Mario Götze.
28 Aug 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
So viel kreatives Potenzial gab es selten in der Zentrale des deutschen Fußballs: Gegen die Ukraine sollen Mario Götze und Mesut Özil gemeinsam auflaufen.
Der FC Schalke 04 hat dank seines Stürmerstars Raul mit 1:0 gegen Borussia Mönchengladbach gewonnen. Damit steht das Team von Ralf Rangnick auf Platz 2 der Bundesligatabelle.
Nach dem unglücklichen 3:4 gegen den 1. FC Köln versucht der Hamburger SV verzweifelt zum Neuaufbau zu stehen. Und will über den Trainer nicht diskutieren.
Dank des dreifachen Torerfolgs von Gomez gegen Kaiserslautern befinden sich die Münchner nun auf Rang 1 der Bundesliga. Der HSV verliert 3:4 gegen Köln und ist Träger der roten Laterne.
Borussia Dortmunds 0:1-Niederlage in Hoffenheim wirft eine grundsätzliche Frage auf: Inwieweit sind die Spieler der künftigen Mehrfachbelastung gewachsen?
Mario Götze ist nach dem Spiel gegen Brasilien der neue Held der deutschen Fußballwelt. Nicht nur Teamtrainer Jogi Löw weiß: Ohne das Team kann keiner brillieren.
Der entfesselt aufspielende Mario Götze hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum ersten Sieg gegen Brasilien seit 18 Jahren geführt. Selbst der Bundestrainer war begeistert.
Die Chancen der deutschen Nationalmannschaft gegen die Selecao stehen gut. Brasilien hat unter seinem neuen Trainer noch keinen namhaften Gegner geschlagen.