taz.de -- Neonazi-Wahlkampf: Der nette Herr Pastörs von der NPD

Als NPD-Hochburg im Norden galt immer Ostvorpommern. Aber auch zwischen Hamburg und Schwerin haben die Rechtsradikalen sich etabliert - und treten öffentlich wie eine bürgerliche Partei auf.
Bild: Zwischen Pütt un Pann noch ein bisschen Nazi-Propaganda: Marianne Pastörs, Ehemann Udo und Peter Marx (von rechts) werben in Boizenburg um Stimmen.

BOIZENBURG taz | Eine junge Familie zeigt stolz ihr Kind im Kinderwagen vor. Udo Pastörs findet bewundernde Worte. Gut eine Woche vor der Wahl zum Schweriner Landtag am kommenden Sonntag sucht der Spitzenkandidat und Fraktions-Chef der NPD das Gespräch auf dem Wochenmarkt am Boizenburger Rathaus.

Ehefrau Marianne, die für die Partei zur Landtags- und Kommunalwahl antritt, geht mit NPD-Flyern über den Markt; grüßt und wird gegrüßt. Udo Pastörs spricht im Plauderton, mit Kaffeetasse in der Hand, über die mögliche Entlassung von 150 "deutschen Arbeitern" in einer Eisengießerei im über 300 Kilometer östlich gelegenen Torgelow, - um "polnische Kolonnen" einzustellen, behauptet er.

"Sehen Sie, man hört uns zu, spricht uns an", sagt Stefan Köster, und nippt an seinem Milchkaffee. Der NPD-Landesvorsitzende und -Landtagsabgeordnete hatte zuvor gefragt, ob er sich mit an den Tisch des Bäckereiwagens stellen dürfe. "Stört sie nicht?" fragt auch Michael Grewe, NPD-Fraktionsgeschäftsführer und -Landtagskandidat. Der Zuspruch auf dem Markt hat die beiden ermutigt.

In Westmecklenburg ist die NPD ähnlich wie in Ostvorpommern fest verankert. In Lübtheen und Grevesmühlen unterhalten Pastörs und Köster Bürgerbüros. In Grevesmühlen nutzt die NPD das sogenannte "Thinghaus", in dem mehrere Projekte von Rechtsradikalen ansässig sind - auch als Schlafmöglichkeit für Wahlhelfer und Lager für Wahlmaterialien.

An die 20 Veranstaltungen fanden in dem Gebäude statt. Der Partei zur Nutzung überlassen hat es der Neonazi Sven Krüger aus dem nahe gelegenen Dörfchen Jamel -gerade wegen illegalen Waffenbesitzes und gewerbsmäßiger Hehlerei zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

An den Infoständen würden ihnen solche Verurteilungen aber nicht vorgehalten, versichert Grewe, der selbst schon wegen Angriffen auf Gegendemonstranten vor Gericht stand wie sein Parteifreund Köster auch. "Der Wahlkampf macht Spaß", sagt Köster. "Wir sind ja Freiluftfreunde und froh aus der Schwatzbude rauszukommen." Mit "Schwatzbude" meint Köster den Landtag.

Grewes Frau legt den Markteinkauf auf den Tisch. Grewe schaut in die Tüte und sagt: "Was Frauen so alles kaufen …" Dann erzählt er, er habe nie gedacht, dass er einmal Fraktionsgeschäftsführer werden könnte. "Meine Schulbildung, nicht einfache Kindheit, na ja …"

Nicht überall im Westen des Landes erführen die NPD-Wahlkämpfer so viel Zuspruch, sagt Karl-Georg Ohse, Leiter des Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburg. "Die Situation ist in dieser Region speziell", betont er.

Landesweit sehen letzte Umfragen die NPD um fünf Prozent - der Wiedereinzug in den Landtag. Spitzenkandidat Pastörs erwartet sogar ein besseres Wahlergebnis als 2006: "Ich persönlich bleibe bei meiner Prognose von acht Prozent". In sechsstelliger Zahl will die Partei ihre Plakate "Sei kein Frosch - wähl deutsch" oder "Gegen Blitzerabzocke" aufhängen, sagt Köster. Rund 200.000 Euro umfasse der Wahlkampfetat. 2006 lag er noch bei 330.000 Euro.

Hat die Bundespartei kein Geld? Oder rückt sie es nicht raus, weil die Mecklenburger mit Parteichef Udo Voigt über Kreuz liegen? Köster verneint beides. Peter Marx, Mitarbeiter der Fraktion und früherer NPD-Bundesvize rutscht aber doch raus: "Gehen sie davon aus, dass Udo Voigt nicht alleine für den Bundesvorsitz kandidiert." Der Landesverband war nicht immer auf Bundeslinie. Pastörs hatte schon einmal versucht, Voigt den Bundesvorsitz streitig zu machen.

Seit Jahren bemühen sich Pastörs und seine Leute ein bürgerliches Image zu entwickeln, ohne dabei ihre radikalen Positionen abzuschwächen. Dass ihr Wahlprogramm mit seinen 25 Punkten an das 25-Punkte-Programm der NSDAP erinnert, sei ihnen schon bewusst gewesen. "Aber 23 oder 26 Punkte - da hätte der Wähler doch gedacht, das wäre alles willkürlich", erklärt Köster und lacht.

28 Aug 2011

AUTOREN

Röpke Andreas Speit

TAGS

Schwerpunkt Rassismus

ARTIKEL ZUM THEMA

Jamel in Mecklenburg-Vorpommern: Ein nationalsozialistisches Musterdorf

In der Nacht auf Donnerstag ist die Scheune der Lohmeyers abgebrannt – der letzten Familie, die in dem braunen Ort gegen Nazis kämpft.

Gericht verurteilt NPD-Bundesvize: 8 Monate auf Bewährung für Pastörs

Ein Gericht hat den Bundesvize der rechtsextremen NPD, Udo Pastörs, wegen Verunglimpfung von Nazi-Opfern verurteilt. Er hatte das Holocaust-Gedenken als „Betroffenheitstheater“ bezeichnet.

Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern: Der West-Ossi

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) ist äußerst populär. Weil sein heiterer, jovialer Stil zum Bundesland passt.

Kommentar NPD-Wahlkampf: Faschismus ist ein Verbrechen

Die Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) gibt sich bürgernah und ist optimistisch, wieder in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einzuziehen.