taz.de -- Krieg in Afghanistan: Verlustreichster Monat für US-Truppen

Sprengfallen sind für die Hälfte aller militärischen wie zivilen Opfer in Afghanistan verantwortlich. 2011 könnte die Zahl getöteter Zivilisten einen Rekord erreichen.
Bild: 67 US-Soldaten starben im August in Afghanistan.

BERLIN taz | Mit 67 getöteten Soldaten ist der August 2011 der verlustreichste Monat für die US-Truppen am Hindukusch, seit ihr Krieg dort im Oktober 2001 begann. Dies geht aus den Daten des unabhängigen Webportals icasualties.org hervor, das die internationalen militärischen Verluste in Afghanistan und Irak auf der Basis öffentlich verfügbarer Quellen auflistet.

Der August, in den die Fastenzeit des Ramadan fiel und deshalb eine niedrige Verlustrate hätte erwarten lassen, übertraf sogar den Juli 2010. Der war bis dahin mit dem Tod von 65 GIs der verlustreichste Monat für die US-Truppen in Afghanistan.

Der jetzige Rekordverlust, verursacht vor allem durch den Abschuss eines Transporthubschraubers am 6. August in der Provinz Wardak, bei dem 30 US-Soldaten getötet wurden, steht im Kontrast zur Entwicklung im Irak. Dort hatten die US-Truppen erstmals seit dem Einmarsch 2003 einen verlustfreien Monat.

In Afghanistan starben in diesem Jahr bisher 306 US-Soldaten, im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 321. 2008 fielen im ganzen Jahr nur 155 Soldaten, 317 waren es im Jahr 2009 und 499 in 2010. Bisher starben in Afghanistan insgesamt 1.775 Soldaten aus den USA, 380 aus Großbritannien, 157 aus Kanada, 73 aus Frankreich und 53 aus Deutschland. Die hohen Todesraten zeigen, dass der Krieg militärisch nicht entschieden ist.

Die Verluste der afghanischen Polizei, Militärs und Zivilbevölkerung sind wesentlich höher. So starben 2010 allein 1.555 Polizisten, das sind zweimal so viele wie einheimische Soldaten. Laut der UN-Mission in Afghanistan (Unama) starben allein in der ersten Hälfte dieses Jahres 1.462 afghanische Zivilisten - 15 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 80 Prozent der Todesfälle unter Zivilisten gingen auf regierungsfeindliche Kräfte zurück (plus 28 Prozent gegenüber 2010), 14 Prozent auf regierungsfreundliche Kräfte. Der Rest war nicht zuzuordnen.

Zu 49 Prozent waren Sprengfallen für die Tötung von Zivilisten verantwortlich. Diese oft am Straßenrand versteckten und im Militärjargon als IEDs (Improvised Explosive Devices) bezeichneten Bomben sind auch für 52 Prozent der Tötungen internationaler Soldaten in Afghanistan verantwortlich. Die Sprengsätze werden aus meist geschmuggeltem Künstdünger herstellt. Den stellt laut Nachrichtenagentur AP allein die pakistanische Firma Pakarab Fertilizers LTD her. Bisher gelang es nicht, deren Lieferungen zu überwachen.

2 Sep 2011

AUTOREN

Sven Hansen

ARTIKEL ZUM THEMA

Foltervorwürfe in UN-Bericht: Stopp von Gefangenentransfers

Wegen Foltervorwürfen hat die Isaf die Überstellung von Gefangenen in einige afghanische Gefängnisse vorerst eingestellt. Die Häftlinge sollen auch sexuell angegriffen worden sein.

Schadensersatz für Luftangriff nahe Kundus: 33.000 statt 5.000 Dollar

Anwalt Popal will Rechtsgeschichte schreiben: Er reicht wegen des Bombardements von 2009 Zivilklage gegen die Bundeswehr ein. Er will mehr Geld für die Opfer.

Aufklärung von Kundus-Luftangriff: Zwist um eine geplante Dienstreise

Generalbundesanwältin Harms beklagt sich über die Verhinderung ihres Fluges nach Afghanistan. Die Linksfraktion wirft ihr einseitige und oberflächliche Ermittlungen vor.

Selbstmordkommando tötet viele Menschen: Taliban bekennen sich zu Attentat

Das britische Kulturinstitut in Kabul ist von einem Taliban-Selbstmordkommando angegriffen worden. Dabei kamen mindestens acht Menschen ums Leben.

Anschlag der Taliban in Afghanistan: 25 Menschen getötet

Die Taliban attackieren in einer Provinz nordwestlich von Kabul den Amtssitz des Gouverneurs. Zahlreiche Menschen starben, der Gouverneur kam mit dem Schrecken davon.

Debatte Barack Obama: Präsident im falschen Land

Obama lässt nicht ab von seinem Run auf eine Mitte, die es nicht gibt. Die Vereinigten Staaten sind gespalten, vom Hass gequält - und nun ohne Hoffnungsträger.