taz.de -- Ämtertausch in Russland: "Die Chancen werden vertan"

In Russland wird es einen munteren Ämtertausch geben. Die Zeichen stehen auf Stagnation, meint Marieluise Beck, Grünen-Sprecherin für Osteuropapolitik.
Bild: Bin ich jetzt Präsident oder Ministerpräsident?

taz: Frau Beck, Regierungschef Wladimir Putin und Noch-Präsident Dmitri Medwedjew werden einfach nur ihre Ämter tauschen. Haben Sie das so erwartet?

Marieluise Beck: Wir haben diese Möglichkeit kommen sehen, weil die faktische Schwäche von Staatspräsident Dmitri Medwedjew bekannt war. Dennoch ist das eine ziemliche Ernüchterung, was auch die reformorientierten Kräfte in Russland so sehen. Denn viele von ihnen haben auf Medwedjew gesetzt. Es gibt dazu eine Anekdote: Im Jahre 2030 wendet sich Medwedjew an Putin: Wladimir, hilf mir, wer bin ich jetzt? Präsident oder Regierungschef? Dieser Witz wird jetzt leider Realität.

Eigentlich kann man doch jetzt auch auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden März ganz verzichten, oder?

Keinesfalls. Russland ist zwar ein autoritärer Staat, aber gerade deshalb dürfen die Instrumente der Demokratie nicht völlig aus der Hand gegeben werden. Und das selbst dann nicht, wenn wie derzeit ihre Anwendung demokratischen Regeln widerspricht.

Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow spricht von einem Katastrophenszenario für Russland. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?

Unter einem Präsidenten Putin werden die Chancen für eine Modernisierung vermutlich auf Jahre vertan. Denn er steht für die Geheimdienststrukturen und alle diejenigen, die davon profitieren. Das sind Leute, die nicht im Sinne des Gemeinwohls handeln, sondern eine gewissenlose Ausbeutung der Ressourcen zu ihrem eigenen Vorteil betreiben. Kurzum: alle Zeichen stehen jetzt auf Stagnation.

Die Bundesregierung spricht von einer nationalen russischen Entscheidung und davon, dass sie mit jedem Präsidenten gut zusammenarbeiten werde. Russland und Deutschland verbinde ja eine strategische Partnerschaft …

Auch mit einem Staat wie Russland, der meilenweit von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entfernt ist, sollten wir kooperieren. Aber er kann kein strategischer Partner sein. Dafür fehlt es derzeit an einer Werteordnung, auf die man sich gemeinsam einigen kann.

26 Sep 2011

AUTOREN

Barbara Oertel

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