taz.de -- Facebook-Klon hat neues Konzept: Grabpflege für StudiVZ
Die Netzwerke um StudiVZ, einst erfolgreiche Facebook-Klone, gleichen heute einem Friedhof. Jetzt sucht das Unternehmen die Nische zwischen Facebook und Google+.
BERLIN taz | Neulich mailte es mal wieder, das Soziale Netzwerk StudiVZ. Nachricht eines Studienfreundes. "Werde diesen Account innerhalb der nächsten Tage löschen, wer Kontakt halten will, bitte melden."
Das StudiVZ, ein Netzwerk für Masochisten? Wer noch Mitglied ist, verliert hier regelmäßig Freunde, scherzen Kommentatoren im Internet.
Rund 16 Millionen Nutzer sind nach VZ-Angaben noch registriert, doch die Karteileichen werden immer mehr. Zählten die VZ-Netzwerke im Mai 2010 monatlich noch 466 Millionen Visits, waren es im August 2011 nur noch etwa 130 Millionen: ein Rückgang um über 70 Prozent.
2006 schien der deutsche [1][Facebook-Klon] eine [2][Erfolgsgeschichte] zu werden. Hackerangriffe, Datenschutzpannen und sexistische Ausfälle von Mitgründer Ehssan Dariani trübten das Bild gelegentlich.
Über Nacht Millionäre
Dennoch vernetzten sich rasch hunderttausende Studierende auf StudiVZ, später gewann man mit SchülerVZ und [3][MeinVZ neue Nutzer]. Als Holtzbrink das Netzwerk 2007 übernahm, wurden die Gründer über Nacht zu Millionären.
Alles Schnee von gestern. Im Jahr 2011 gleichen die VZ-Netzwerke einem Friedhof.
Ein neues Konzept soll jetzt mehr sein als nur Grabpflege. Ziel sei die "Stabilisierung der Nutzerzahlen", sagt VZ-Sprecherin Alexandra Kühte. Zugleich wird MeinVZ künftig FreundeVZ heißen. Weil man in den letzten Jahren den Exodus zu Facebook und zuletzt zu Google+ nicht stoppen konnte, strebt das Netzwerk nun in die Nische.
Die drei VZ-Plattformen sollen künftig besser auf die Bedürfnisse der Nutzer eingehen. So soll es für jede Plattform unterschiedliche Anwendungen geben, etwa das Modul "Lehrveranstaltungen" im StudiVZ oder "Mein Klassenzimmer" im SchülerVZ. Gruppen werden zu "Themen". Nutzer können dort diskutieren und Inhalte teilen.
Lethargie im VZ-Universum
Auch technisch wollen die VZ-Netzwerke aufholen. So nutzen die Plattformen ab sofort das Google Web Toolkit, eine Sammlung freier Software zur Entwicklung von Webanwendungen. Ziel ist, Neuerungen einfacher einbinden zu können. Während Konkurrent Facebook beinahe wöchentlich Layout und Funktionen auffrischt, tat sich im VZ-Universum jahrelang nur wenig.
Ab Mittwoch können VZ-Nutzer nun mehrere Monate lang zwischen alter und neuer Version wechseln und die Änderungen kommentieren. Und bewerten, ob das VZ-Update mehr ist als nur Grabpflege.
28 Sep 2011
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Studi- und SchülerVZ steuern in die Bedeutungslosigkeit. Jetzt plant die VZ-Gruppe einen Kurswechsel und will sich zur Lernplattform umbauen – massive Stellenkürzungen inklusive.
Auch Microsoft experimentiert mit eigenen sozialen Netzwerken. Ein bisher geheimes Projekt namens "Socl" ist nun an die Öffentlichkeit gelangt.
Frisches Geld für Obama. Der Softwarekonzern Oracle muss US-Regierung 200 Millionen Dollar zahlen, das Unternehmen soll Leistungen zu teuer abgerechnet haben.
Mit der neuen Facebook-Timeline werden die User noch mehr Privates in die Öffentlichkeit tragen. Warum Menschen freiwillig den Daten-Kraken füttern.
Mit neuen Diensten integriert das soziale Netzwerk immer mehr Medien. Ziel ist es, Nutzer länger auf Facebook zu halten – und noch mehr Daten zu sammeln.
Ein Student hat bei Facebook eine Liste seiner Daten eingefordert. Er bekam 1.200 DIN A4-Seiten – darin enthalten sogar alte Nachrichten, Chats und gelöschte Daten.
StudiVZ sah bei seinem Start aus wie Facebook in Rot. Deutsche Internetfirmen kopieren gern, was auf dem US-Markt funktioniert. Beispiel wimdu.com.
Der Ansturm auf soziale Netzwerke ist weiterhin groß. Während Kritiker von Vereinsamungs-Tendenzen warnen, nutzen besonders Jugendliche Facebook & Co selbstverständlich als neue Kommunikationsform.
Nach massiven Protesten gegen die geplante personalisierte Werbung bewegt sich das Studentennetzwerk. Ein erstes Treffen mit Datenschützern soll Schadensbegrenzung bringen.
Wer seine Daten im Online-Studentennetzwerk von StudiVZ hinterlegt, bekommt bald maßgeschneiderte Werbung. Wer die nicht will, darf nicht mehr mitmachen.