taz.de -- Ökologischer Umbau der Wirtschaft: Öko-Ökonomie gegen die Krise
Die deutsche Wirtschaft ist bereits viel grüner, als sie denkt, sagt das Umweltbundesamt. Jetzt müsse Ernst gemacht werden mit dem ökologischen Umbau.
BERLIN taz | Die Kohle ist weltweit auf dem Vormarsch, Artensterben und Treibhausgase liegen auf Rekordhöhe - aber "zur Green Economy gibt es keine echte Alternative". Das meint zumindest das Umweltbundesamt (UBA), das am Donnerstag zu einer zweitägigen Konferenz über "Green Markets" eingeladen hat.
Die Wirtschaftsform der Zukunft werde sich in ökologischen Leitplanken bewegen, aber durchaus marktwirtschaftlich bleiben, sagte UBA-Präsident Jochen Flasbarth gegenüber der taz. Der Druck zur Veränderung sei groß, denn wenn alles so weitergehe wie bisher, werde etwa bereits 2030 die globale Nachfrage nach Trinkwasser das Angebot um 40 Prozent übersteigen.
Für die Fachbehörde des Umweltministeriums ist klar, dass "Umweltschutz längst kein Nischenprodukt mehr ist", meint Flasbarth. Akribisch listet seine Behörde auf, wie grün die deutsche und internationale Wirtschaft inzwischen geworden ist: Auf Sparten wie Effizienz, erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität oder Abfallwirtschaft warte 2020 ein weltweiter Markt von bis zu 3 Billionen Euro, allein das deutsche Klimaziel bringe zusätzlich 630.000 neue Jobs, und "die erneuerbaren Energien haben uns in Deutschland schnell aus der Wirtschaftskrise herausgeholfen", sagt Flasbarth.
Im letzten Jahr habe sich auch gezeigt, dass die Green Economy ein weltweites Phänomen sei: Zum ersten Mal hätten die Schwellen- und Entwicklungsländer mit 72 Milliarden Dollar mehr Geld in erneuerbare Energien investiert als die Industriestaaten.
Der internationale Blick ist wichtig: Denn im nächsten Jahr findet die UN-Konferenz "Rio plus 20" statt. 20 Jahre nach der Konferenz von 1992 sollen am gleichen Ort die Staaten über zwei wichtige Themen entscheiden: die Aufwertung des UN-Umweltprogramms Unep zu einer echten UN-Organisation; und über die Zukunft einer nachhaltigen Wirtschaft, eben der "Green Economy".
Immer noch Vorbehalte
Deshalb gehören für das UBA auch Verpflichtungen der Industrieländer in den Koffer für Rio, etwa der Abbau von Beihilfen für Agrarexporte, die die Märkte in den armen Ländern zerstören. "Gegen die Green Economy gibt es in diesen Ländern immer noch große Vorbehalte", sagt Flasbarth. "Da geht es nicht um intelligente Stromnetze wie bei uns, sondern um faire Bedingungen für Kleinbauern." Auch der Abbau von umweltschädlichen Subventionen sei wichtig. Allein die Streichung der Subventionen für fossile Brennstoffe "würde die globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 um 10 Prozent reduzieren", heißt es in dem Positionspapier.
"Deutschland hat beim Thema Energie einige richtige Weichen für die Green Economy gestellt", sagt Flasbarth. Vor allem das "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG) zur Finanzierung von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse sei ein Exportschlager. Trotzdem bleibe zu Hause auch noch viel zu tun: EU-weit fordert das UBA, dass Effizienzregeln bei Produkten wie Waschmaschinen und Küchengeräten (wie etwa die Öko-Design-Richtlinie) auch für den Materialeinsatz gelten sollen und strengere Limits auch für Computer gelten sollte. Auch die öffentliche Hand müsse ihre Verantwortung stärker wahrnehmen, die sie bei der Beschaffung von Laptops, Dienstwagen und Kopierpapier habe.
Grün sind aber nicht nur die Windradbauer: Mehr als die Hälfte der deutschen Ökoökonomie bestehe inzwischen aus Maschinenbauern, der Bauindustrie, der chemischen Industrie und der Metallindustrie, heißt es vom UBA: "Die Entwicklung hin zu einer Green Economy betrifft den Kern der Wirtschaft."
Die allerdings ist nicht so begeistert. Die Ausweitung der Öko-Design-Richtlinie nennt der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) "verfrüht" und "nicht zielführend". Und zum Thema Green Economy will man sich erst einmal nicht äußern: Man arbeite noch intern an einer Stellungnahme, heißt es.
29 Sep 2011
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