taz.de -- Kämpfe in Libyen: Neue Offensive gegen Sirte
Gaddafis Geburtsstadt wird noch immer von seinen Anhängern verteidigt. Der Nationale Übergangsrat hat einen neuen Angriff auf die Stadt gestartet. Es soll der letzte sein.
TRIPOLIS dpa/dapd | Die Milizen des libyschen Übergangsrates haben einen neuen Anlauf begonnen, um die Gaddafi-Hochburg Sirte einzunehmen. "Im Augenblick beschießen sie die Stadt, um die Verteidigung (der Gaddafi-Getreuen) zu schwächen", berichtete eine Reporterin des Nachrichtensenders Al-Dschasira am Freitag aus dem Frontgebiet. Kommandeure der Milizen hätten versichert, dass es sich dabei um den "letzten Schlag" handle.
Sirte - 410 Kilometer östlich von Tripolis - ist die Geburtsstadt des entmachteten Diktators Muammar al-Gaddafi. Die Gaddafi-Getreuen, die sich dort verschanzt haben, sollen von Gaddafi-Sohn Mutassim angeführt werden. Sirte und Bani Walid - 150 Kilometer südlich von Tripolis - sind die letzten Bastionen von bewaffneten Gaddafi-Anhängern. Die Milizen des Übergangsrats versuchen schon seit Wochen, sie einzunehmen.
Gaddafi hat seine Mitbürger unterdessen zu einer Kampagne des zivilen Ungehorsams gegen die neue Führung des Landes aufgerufen. Den Appell überbrachte der untergetauchte Gaddafi in einer Audiobotschaft, die am Donnerstag von dem in Syrien ansässigen Fernsehsender Al-Rai gesendet wurde. Der Sender ist inzwischen das wichtigste Sprachrohr des langjährigen Machthabers. Gaddafi sagte, der nationale Übergangsrat, der die Führung in Libyen übernommen hat, habe keine Legitimität.
7 Oct 2011
ARTIKEL ZUM THEMA
Die letzten von Gaddafi-Getreuen gehaltenen Städte fallen an die Revolutionäre. Der Blutzoll ist hoch, und je länger gekämpft wird, desto mehr leidet die Bevölkerung.
Die Kämpfer des libyschen Übergangsrates bereiten sich nun auf einen Häuserkampf mit den letzten Anhängern Gaddafis vor. Diese leisten weiter erbitterten Widerstand.
Zwei Massengräber mit insgesamt 900 Leichen sollen in der Nähe der libyschen Hauptstadt Tripolis gefunden worden sein. Wann die Opfer getötet wurden, ist unklar.
Die Kämpfer des libyschen Übergangsrates rücken weiter vor. Offenbar haben sie einen Vorort von Sirte, eine der letzten Hochburgen der Anhänger Gaddafis, eingenommen.
Es mangelt an Trinkwasser und Nahrung: Die Lage der Bevölkerung im umkämpften Sirte ist laut Rotem Kreuz "sehr schlecht". Doch die Kämpfe dauern an. Die Nato sieht indes ein Ende ihrer Mission.
Der lybische Übergangs-Premier Dschibril will nicht Teil der neuen Regierung seines Landes werden. Der liberale Politiker sieht sich dem Widerstand der Islamisten ausgesetzt.
Gaddafis Heimatstadt Sirte ist eingekesselt. Aber ein Sieg ist noch nicht in Sicht. Die Einnahme der Stadt wäre ein wichtiges psychologisches Signal.