taz.de -- Debatte Frauen in Spitzenjobs: Occupy die Aufsichtsräte
Die deutsche Politik hat wieder verhindert, dass auch Frauen Spitzenpositionen einnehmen. Es ist daher notwendiger denn je, parteiübergreifend den Druck zu erhöhen.
Noch nie hat ein Gipfelgespräch zur Förderung der Chancengleichheit in der Führungsspitze deutscher Unternehmen eine solche mediale Aufmerksamkeit erhalten. Die "Tagesthemen" und "heute journal" widmeten dem Zusammentreffen der drei Bundesministerinnen mit den Personalvorständen der DAX-30-Konzerne in dieser Woche jeweils knapp 10 Minuten ihrer Berichterstattung. Und die waren auch notwendig, um zu zeigen, warum der Gipfel ein "Riesenerfolg" für alle Beteiligten gewesen sein soll.
Der am 17.10. vorgelegte Katalog der unterschiedlichen Selbstverpflichtungen zeigt zwar das Bemühen der meisten der DAX-30-Konzerne, auf der Basis freiwilliger interner Regelungen mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Doch die Aufsichtsrats- und Vorstandsebene wurden komplett ausgeklammert. Damit fallen deutsche Firmen insgesamt hinter die Planziele zurück, die zumindest einige Konzerne längst im Rahmen der Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex kommuniziert hatten. Was BMW-Personalvorstand Harald Krüger als "europaweit einzigartige" Initiative preist, ist aus der Sicht engagierter Frauen vor allem eins: einzigartig enttäuschend.
Bemerkenswert ist allenfalls, dass die erfolglose freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft aus dem Jahre 2001 jetzt - 10 Jahre später - nun wenigstens zugunsten von Minimalschritten mit Leben erfüllt wurde. Wie heißt der bekannte Werbeslogan: Es ist nie zu spät. Trotzdem bleibt nur der Trostpreis für die Gleichberechtigung.
Wo bleibt der Wirtschaftsminister?
Die Reaktionen der drei von vier in den Prozess involvierten Ministerien konnten unterschiedlicher nicht ausfallen. Aber wo war eigentlich der für das Thema entscheidende Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP)? Auch er müsste wissen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind.
Das nun angekündigte Treffen der Minister mit den Aufsichtsratsvorsitzenden wird also spannend, denn dann sprechen die richtigen Ebenen miteinander. Aufsichtsräte besetzen Vorstände und schlagen Aufsichtsratsmitglieder vor. Doch schrauben wir unsere Erwartungen nicht zu hoch. Die frauenfeindliche Realität hierzulande hat uns am Montag kalt erwischt.
Aus meiner Sicht wurde mehr als offensichtlich, dass konkrete Fortschritte nur mit einer gesetzlichen Regelung erreicht werden können. Wenn dies auf Bundesebene nicht gelingt, dann setzen wir auf Brüssel. EU-Kommissarin Viviane Reding hat mit Blick auf die Ergebnisse am Montag zu Recht deutlich gemacht, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge im März 2012 eine europäische Gleichstellungsrichtlinie mit einheitlichen Mindestquoten für Aufsichts- und Verwaltungsräte zu erwarten ist.
Die Nachbarn sind viel weiter
Während in den meisten europäischen Nachbarländern gesetzliche Mindestquoten eingeführt wurden, fällt Deutschland in dieser Frage immer weiter zurück.
Dabei geht es hier nicht "nur" um die im Grundgesetz festgeschriebene Förderung der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern. Sondern es geht vor allem um eine bessere Unternehmensführung, um die Tatsache, dass gemischte Teams die Corporate Governance fördern. Und um die Erkenntnis aus zahlreichen repräsentativen Studien, dass Unternehmen mit einem hohen Anteil an Frauen in der Führungsspitze erfolgreicher und rentabler sind. Bessere Unternehmensführung und -kontrolle sowie höhere Rendite liegen auch im ureigensten Interesse der Anleger und Investoren. Und die brauchen Klarheit.
Transparenz für die Verantwortlichen schafft der Women-on-Board-Index von FidAR. Denn dieses Ranking der 160 im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX notierten Unternehmen nach dem Frauenanteil in der Führungsspitze lässt die Zahlen sprechen. Diese Botschaft wird an den Konzernspitzen sehr gut verstanden. Doch dürfen wir uns von den erfreulichen Nominierungen von einzelnen Frauen für Aufsichtsräte und Vorstände in den letzten Monaten nicht blenden lassen. Unter dem Strich sind die Fortschritte marginal.
Seit Jahresbeginn ist der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten der DAX-30-Unternehmen um 2 Prozentpunkte auf 15,6 Prozent, in den Vorständen lediglich um 1,6 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent gestiegen. Kumuliert liegt der Frauenanteil bei nur 9,7 Prozent (Jahresbeginn 7,9 Prozent). Von einem Durchbruch kann also noch keine Rede sein.
Kristina Schröder muss liefern
Es ist daher notwendiger denn je, den parteiübergreifenden Druck weiter zu erhöhen, um eine gesetzliche Mindestquote für Frauen in Aufsichtsräten durchzusetzen. Und diese muss für alle börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen gleichermaßen gelten. Es geht uns dabei nicht um die Quote, es geht um Veränderungen in der Wirtschaft und Gesellschaft, die mit dem Wegbeschleuniger Quote in überschaubaren Zeiträumen angestoßen werden können.
Die Vorschläge, wie in Deutschland mehr Frauen in Führungspositionen kommen können, liegen auf dem Tisch: Die Flexiquote der Bundesfamilienministerin setzt auf freiwillige und flexible Lösungen. Die Bundesarbeitsministerin von der Leyen fordert angesichts der enttäuschenden Ergebnisse der freiwilligen Selbstverpflichtung eine gesetzlich verbindliche Quote von 30 Prozent bis 2018 bzw. 2020. Bündnis 90/Die Grünen und die SPD fordern einen parteiübergreifenden Konsens für eine gesetzliche Mindestquote für Aufsichtsräte.
Es hilft der Sache allerdings nicht, wenn die Diskussionen um Frauen in Führungspositionen von dem Machtgerangel in der Koalition dominiert und weitere Nebelkerzen geworfen werden. Auch die selbst gesetzten Ziele der DAX-30 und die in den Entsprechenserklärungen veröffentlichten Planungen der börsennotierten Unternehmen liegen vor. Doch dies alles reicht nicht aus.
Daher ist es von größter Wichtigkeit, dass Bundesfamilienministerin Kristina Schröder das Gesetz für die Flexiquote noch in diesem Jahr vorlegt, die ausdrücklich auf Aufsichtsräte und Vorstände abzielt. Die Zeit drängt.
21 Oct 2011
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