taz.de -- Rettungspaket für Griechenland: Papandreou will Volksabstimmung
Ministerpräsident Papandreou hat ein Referendum über das neue Rettungspaket und die damit verbundenen Sparauflagen angekündigt. Unklar ist, ob eine solche Abstimmung rechtmäßig ist.
ATHEN rtr | Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat überraschend eine Volksabstimmung über das neue internationale Rettungspaket angekündigt und riskiert damit Neuwahlen. Der Regierungschef erklärte am Montag zudem, er wolle im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, um sich die Unterstützung der Abgeordneten für die verbleibende Regierungszeit bis 2013 zu sichern.
"Wir vertrauen den Bürgern. Wir glauben an ihr Urteilsvermögen. Wir glauben an ihre Entscheidung", sagte Papandreou vor Abgeordneten seiner sozialistischen Partei. Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik. "Herr Papandreou ist gefährlich. Er schnippt die griechische EU-Mitgliedschaft wie eine Münze in die Luft", sagte ein Sprecher der konservativen Partei Neue Demokratie.
Papandreou kündigte an, das Referendum werde in einigen Wochen abgehalten, wenn Einzelheiten des 130 Milliarden Euro schweren Rettungspakets bekannt seien. Die Hilfen wurden auf dem Euro-Gipfel in der vergangenen Woche beschlossen. Im Gegenzug soll die Regierung Sparmaßnahmen verabschieden. Zudem sollen private Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland verzichten. Viele Details sind noch unklar. Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, die Volksabstimmung werde sehr wahrscheinlich Anfang 2012 stattfinden.
Die Bundesregierung erklärte, auf dem Gipfel seien klare Erwartungen formuliert worden, wonach das zweite Hilfspaket für Griechenland bis Ende des Jahres stehen solle. "Daran arbeiten wir alle mit hoher Intensität." Bei den Plänen für ein Referendum handele es sich aber um eine innenpolitische Entwicklung, zu der der Bundesregierung keine offiziellen Informationen vorlägen und die sie nicht kommentiere.
Letztes Referendumg 1974
Vertreter des Athener Parlamentes kündigten an, die Debatte über die Vertrauensfrage werde am Mittwoch beginnen. Abstimmen sollen die Abgeordneten am Donnerstag oder Freitag. Experten gehen davon aus, dass Papandreou trotz Widerstände in seiner Fraktion das Votum überstehen wird.
Nach der Erklärung Papandreous, das Volk über die neuen Hilfen zu befragen, zweifelten mehrere Abgeordnete die Rechtmäßigkeit des Vorhabens an. Der Verfassung zufolge sind Referenden zu wirtschaftlichen Themen nicht gestattet, sondern nur bei Fragen von größter nationaler Bedeutung. Zum letzten Mal nahmen die Griechen im Dezember 1974 an einem Referendum teil. Nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur stimmten sie damals für die Abschaffung der Monarchie.
Viele Griechen lehnen die Sparpolitik ihrer Regierung ab. So versuchten Gewerkschaften mit Generalstreiks, die Verabschiedung entsprechender Gesetze zu verhindern. Die Regierung setzte bereits Kürzungen im öffentlichen Dienst und bei Renten sowie Steuererhöhungen durch. Die Reformschritte waren die Voraussetzung für die Auszahlung internationaler Kredite, ohne die Griechenland längst zahlungsunfähig wäre.
1 Nov 2011
ARTIKEL ZUM THEMA
Über den Volksentscheid ist in Griechenland ein heftiger Streit entbrannt. Finanzminister Venizelos stellt sich gegen Ministerpräsident Papandreou. Dieser beruft eine Krisensitzung ein.
Merkel und Sarkozy warnen die Griechen: Mit dem Referendum entscheiden sie über den Verbleib in der Eurozone. Und vorher gibt es kein neues Geld.
Griechenlands Ministerpräsident Papandreou kündigt überraschend ein Referendum über die jüngsten EU-Beschlüsse an. Ein riskantes Manöver mit offenem Ergebnis.
Ein Schuldenschnitt in Griechenland kann der Euro verkraften. Die Gefahr droht vor allem in Italien. Wenn Italien Pleite geht, dann ist als nächstes Frankreich dran.
Eine unkontrollierte Pleite in Athen hätte fatale Folgen für den gesamten Euroraum. Die Euro-Retter wurden von Papandreous Ankündigung kalt erwischt.
SPD und Linke begrüßen den griechischen Plan, ein Referendum durchzuführen. Die Regieriungsparteien CDU und FDP zweifeln an der Schuldenschirmpolitik.
Durch die neuen Turbulenzen um Griechenland könnten weitere Krisenländer in Gefahr geraten. Der deutsche Aktienindex und der Kurs des Euro gingen kräftig nach unten.
Nicht einmal Papandreous engste Mitarbeiter können sagen, warum ihr Chef nun auf eine Volksbefragung setzt. Schließlich hat er viel zu verlieren und wenig zu gewinnen.
So recht will niemand glauben, dass dieser Schuldenschnitt für die Griechen etwas Gutes bedeutet. An den teils massiven Einschnitten wird sich wohl wenig ändern.
Über Nacht ist Griechenland 50 Prozent seiner Bankschulden los - die EU einigte sich auf einen Schuldenschnitt. Dafür muss sich das Land stärker kontrollieren lassen.
Drei griechische Minister fordern ihre Landsleute zu besserer Arbeitsmoral auf. Der Publizist Giannis Makridakis findet das schamlos - und antwortet mit einem Brandbrief.