taz.de -- Italienischer Fussballmanager verurteilt: Hohe Strafe für mafiösen Moggi

Im italienischen Fußballskandal wurde Luciano Moggi zu über fünf Jahren Haft verurteilt. Der Ex-Manager von Juventus Turin hatte ein mafiöses System installiert.
Bild: Juciano Moggi: ehemaliger Juve-Manager und Spielemanipulator.

BERLIN taz | Zu fünf Jahren und vier Monaten Haft wurde Liciano Moggi, der frühere Manager von Juventus Turin, verurteilt. Das Gericht in Neapel sah in ihm nach insgesamt 61 Sitzungstagen in dreieinhalb Jahren den Hauptdrahtzieher der Manipulationen in der Spielzeit 2004/2005.

Damit seien die Existenz der "Cupola" - einer Machtstruktur wie bei der Mafia - sowie die führende Rolle Moggis bei den Manipulationen bestätigt, konstatierte die Gazzetta dello Sport. Andere wichtige Beschuldigte wie etwa die Schiedsrichterobleute Paolo Bergamo (3 Jahre, acht Monate) und Pierluigi Pairetto sowie der Referee Massimo De Santis (beide 23 Monate) kamen mit geringeren Strafen davon.

Zu den Verurteilten gehören auch die Besitzer der Vereine Lazio Rom und Fiorentina, Claudio Lotito und die Gebrüder Della Valle. Dem Arbeitgeber von Miro Klose und den Della Valles wurden je 15 Monate Haft und eine Geldstrafe von 25.000 Euro aufgebrummt, weil sie innerhalb des Systems Moggi Vorteile für ihre Vereine herausgeholt hatten.

Pikanterweise ist die Strafe gegen sie auch mit einem Stadionverbot verbunden. Jetzt warten die Prozessbeteiligten auf die Urteilsbegründung. Sie wird für Januar erwartet. Moggis Anwälte kündigten bereits Berufung an. "Wir haben nicht eine solch harte Strafe erwartet. Sie fällt völlig aus dem Kontext der Verhandlungen", empörte sich der Verteidiger Maurilio Prioreschi.

Denunziation als Verteidigungsstrategie

Tatsächlich hatte die Verteidigungsstrategie Moggis darin bestanden, auch Vertretern anderer Klubs - und hierbei insbesondere dem Hauptprofiteur der Disqualifikation von Juventus, Inter Mailand - Beeinflussungen von Schiedsrichtern nachzuweisen.

Die Verteidigung brachte einige bis dato unbeachtet gebliebene Abhörprotokolle in die Verhandlungen ein, in denen auch Inters Expräsident Giacinto Facchetti mit dem Schiedsrichterobmann Bergamo zukünftige Ansetzungen und "Probleme" mit einzelnen Referees diskutierte. Ob diese Gespräche die gleiche Beeinflussungsqualität haben wie die von Moggi geführten, blieb freilich unklar.

Ein gravierender Unterschied besteht neben der Quantität - es sind wesentlich mehr Kontakte Moggis nachgewiesen - in der Tatsache, dass "Big Luciano" sich Schweizer Telefonkarten besorgte, um sein Informanten- und Beeinflussernetz abhörsicher zu gestalten.

Als Erklärung gab Moggi an, sich vor "Industriespionage schützen" zu wollen. Angesichts der aufgeflogenen Abhörskandale im Hause Inter entbehrt Moggis Geheimniskrämerei nicht der Logik. Bei den Mailändern wurden mithilfe von Technikern der italienischen Telecom, deren damaliger Chef Marco Tronchetti Provera zugleich im Aufsichtsrat von Inter sitzt, Spieler wie u. a. Christian Vieri bespitzelt.

Zum zweiten Mal höchste Strafe für Moggi

Ob Inters Abhörtechnologien aber allein die Schweizer Sim-Karten im Moggi-Umfeld begründen, ist zweifelhaft. Das Gericht folgte dieser Interpretation jedenfalls nicht. Wie auch beim GEA-Prozess - hier ging es um die mit illegalen Methoden errungene Machtstellung der von Moggis Sohn Alessandro geführten Spieleragentur GEA - wurde Moggi senior die mit Abstand höchste Strafe erteilt.

Zusammen käme er jetzt auf sechs Jahre und vier Monate Haft. Ob der 74-Jährige sie antreten muss, ist allerdings fraglich. Zwar müssen in Italien Haftstrafen ab drei Jahren tatsächlich abgebüßt werden. Mario Stagliano, ein ehemaliger Jurist des Fußballverbands FIGC, prognostizierte in einem Radiointerview: "Das endet alles in der Verjährung. Die Vorwürfe des Sportbetrugs schaffen es nicht einmal bis zur Berufungsverhandlung."

Dem Urteil bleibt daher hauptsächlich eine symbolische Bedeutung. Italiens langsame Justiz schafft es mal wieder, den Anschein vom großen Aufräumen zu vermitteln. So richtig nass wird bei dieser Aktion aber niemand.

9 Nov 2011

AUTOREN

Mustroph

ARTIKEL ZUM THEMA

Italienischer Meister Juventus Turin: Über das Purgatorium ins Paradies

Sechs Jahre nach dem Calciopoli-Skandal ist Juventus Turin wieder italienischer Meister. Die Demütigung über die Aberkennung zweier Titel ist noch präsent.

Italienischer Fußball: "Niemand muss aus Not wetten"

Der Drittligafußballer Fabio Pisacane erstattet als erster Spieler im italienischen Wettskandal Anzeige. Ein Gespräch über Moral, Gier und Wettverbot.

Schläger vs. Schutzgeld: Piazzetta derackettizzata

In Neapel erklären einige Unternehmer ihren Tennisklub für schutzgeld- und manipulationsfrei. "Mit dem Racket gegen das Racket" heißt die mutige Devise.

Juventus Turins Rückkehr: Mentaler Hammer

Juventus ist unter Antonio Conte zurück an die Spitze gestürmt. Das Gebaren des Klubchefs erinnert indes an die alte Arroganz des Rekordmeisters.

Zieler debütiert im DFB-Team: Ein Frischling als Fänger

Er hat erst 27 Bundesligaeinsätze vorzuweisen. Trotzdem wird Hannovers Torwart Zieler für ein Spiel zur Nummer eins der Fußballnationalelf. Wie kann das sein?

Pyrotechnik im Fussballstadion: Wie der Weihrauch zur Sonntagsmesse

Am Rande des Bundesligaspiels in Berlin protestiert die Fanszene und fordert, vom DFB ernst genommen zu werden. Die Ultras fühlen sich an den Pranger gestellt.

Marathon ist Männersache: Diese Anstrengung, dieser Schweiß!

Bis Anfang der Siebziger durften in den USA nur Männer Marathon laufen. Kathrine Switzer rannte als erste Frau mit: von der Angst der Männer, von Frauen überholt zu werden.

American Pie: Moralische Unterhaltung

Die Sportstars haben gefehlt. Ben Roethlisberger, Quarterback bei den Pittsburgh Steelers, wurde vom NFL für sechs Spiele gesperrt. Franck Ribery jedoch darf weiterspielen.