taz.de -- Ganztägige Betreuung: Zank um Schulkinder

Hamburg will allen Kindern ab 2013 kostenlose Nachmittagsbetreuung an Grundschulen anbieten. Weil diese verbindlich bis 16 Uhr gelten soll, laufen Eltern dagegen Sturm. Bisherige Horte sind flexibler.
Bild: Bleiben alle Kinder bis 16 Uhr? Die Schulbehörde will das nicht dogmatisch sehen.

"Planwirtschaft", "Zwang", "Käfighaltung" - es werden derzeit sehr kritische Begriffe für Hamburgs größte Schulreform benutzt, die eigentlich als Wohltat für Kinder und Eltern gedacht ist. Stufenweise bis 2013 sollen die Horte von den Kitas, in denen bisher Schulkinder berufstätiger Eltern am Nachmittag betreut wurden, an die Grundschulen verlagert werden. Und anders als bisher sollen sie nichts kosten und für alle Kinder zugänglich sein.

Um die Bedingungen, ob etwa genug Erzieher für die Vorschulkinder vorhanden sind oder ob die Klassenräume geeignet sind, wird schon seit Monaten zwischen Kita-Trägern und Stadt gerungen. Und an 26 Standorten wird die Sache bereits erprobt. Doch seit Wochenbeginn geht es nur noch um eine Frage: Dürfen Eltern ihre Kinder vor 16 Uhr abholen oder nicht?

Denn die bisherigen Horte waren hier sehr flexibel. Eltern konnten ihr Kind wahlweise um 15, 16, 17 oder 18 Uhr abholen und in den meisten Horten auch irgendwann zwischendrin. Das solle künftig bei der "ganztägigen Betreuung an Grundschulen" (GBS) nicht mehr möglich sein, wurde nun dem Landeselternausschuss für Kindertagesbetreuung, kurz LEA, von Behördenseite mitgeteilt.

Zwar könnten Eltern frei entscheiden, ob sie ihre Kinder dort anmelden oder nach 13 Uhr nach Hause holen. Doch wenn sie angemeldet sind, soll dies für mindestens drei Tage und bis 16 Uhr sein.

Die Erregung ist groß. Eltern organisieren Vernetzungstreffen und Mailinglisten. Die Hamburger Morgenpost schrieb von "Planwirtschaft in der Grundschule" und zitierte unzufriedene Mütter, die fürchten, ihre Kinder nicht mehr in der Freizeit sehen zu können.

"Es gibt viele Frauen in der Stadt, die in Teilzeit arbeiten und es nicht schaffen, ihre Kinder bis 13 Uhr abzuholen", berichtet LEA-Sprecherin Sabine Buhk. "Aber bis 14 oder 15 Uhr schaffen sie es schon". Wenn sie sie künftig vor 16 Uhr nicht mehr abholen könnten, ginge den Familien Zeit für Kindergeburtstage und anderes Außerplanmäßiges verloren.

Die Mutter Mariele Kirsch, die mit der Partei "Bürgerliche Mitte" für die Bürgerschaftswahl angetreten war, spricht gar von einer "schlimmen Monopolisierung der Nachmittagsbetreuung durch die Schulen".

Durch die Neuregelung entstünde ein Zwang für die Eltern, ihre Kinder an den Schulen abzugeben. Die oppositionelle CDU griff dieses Thema kurzerhand mit einem Antrag auf, in dem sie fordert, die GBS so zu organisieren, dass die "bisherige zeitliche Flexibilität des Horts" erhalten bleibt.

Doch in der Schulbehörde zeigt man sich durchaus kompromissbereit. "Wir sehen das nicht so dogmatisch", sagt Sprecher Peter Albrecht. Aber die Kita-Träger hätten ein hohes Interesse an Verbindlichkeit. Man wolle jetzt Gespräche mit den Eltern führen und auch in den Verhandlungen mit den Trägern sehen, welche Lösung es gebe.

Holten Eltern Kinder früher ab, müsse man sie "aus Neigungsgruppen herausholen", gibt Gerald Krämer von der städtischen Kita-Vereinigung zu bedenken. "Die Kinder sind dann in Tanzgruppen, beim Basketball oder in der Hausaufgabenhilfe."

Man wolle ein "pädagogisch sinnvolles Konzept" für die Ganztagsbetreuung schaffen, sagt Elimar Sturmhoebel vom alternativen Wohlfahrtsverband "soal". Wenn alle Eltern eine eigene Abholzeit hätten, sei dies für die Kinder nicht günstig. Es handele sich hier aber nicht um eine schulische Veranstaltung, sondern um eine Jugendhilfemaßnahme. "Da müssen individuelle Absprachen möglich sein."

Man könne die GBS immer "diskreditieren", sagt Martin Peters vom Paritätische Wohlfahrtsverband: "Bieten wir kein Bildungsangebot, ist es falsch, entsprechen wir den Elternwünschen, ist es auch falsch." Er plädiert pragmatisch für einen "dritten Weg". Kinder, von denen klar sei, dass sie früher abgeholt werden, könnten statt in einen Neigungskurs ins Freispiel gehen.

24 Nov 2011

AUTOREN

Kaija Kutter

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Ganztagsschule

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