taz.de -- Guttenbergs Rückkehr-Rhetorik: Extremsituation Familienvater

Der wegen Plagiatsvorwürfen zurückgetretene Ex-Minister zu Guttenberg bastelt an seinem raschen Comeback. Dafür braucht er Hilfe. Die bekommt er von der "Zeit".
Bild: Guttenberg sagt, er sei mit seiner Dissertation überfordert gewesen - damit es mit dem Comeback klappt, gibt's Hilfe von der "Zeit".

BERLIN taz | "Wenn ich die Absicht gehabt hätte zu täuschen, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist". Sagt Karl-Theodor zu Guttenberg - in einem Interview mit der Zeit.

Diese Aussage verwundert sicher nur wenige, schließlich ist der Exminister bekannt für seine Vorliebe des Zurechtrückens von Ereignissen, zum Beispiel bei der Aufklärung des Bombardements im afghanischen Kundus im September 2009. Was aber wundert, ist die zeitliche Abfolge der jüngsten Ereignisse um den CSU-Politiker: Am vergangenen Mittwoch wurde das Ermittlungsverfahren wegen des Plagiatsvorwurfs in seiner Dissertation gegen ihn eingestellt. Dafür hat zu Guttenberg 20.000 Euro bezahlt. Einen Tag später, am Donnerstag, erschien das Zeit-Interview.

Und nicht nur das: Montag gibt es gleich ein ganzes Buch. Es heißt "Vorerst gescheitert", und geschrieben hat es Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit. Di Lorenzo hat drei Tage lang in einem Londoner Hotel mit zu Guttenberg geredet, herausgekommen ist ein "Gesprächsbuch". In dem verrät der Jurist, dass seine Dissertation eine "Patchworkarbeit" sei, die er an vier verschiedenen Computern geschrieben und auf 80 Datenträger verteilt habe.

Damit sei er überfordert gewesen, räumt zu Guttenberg ein, vor allem als er Minister wurde. "Die sorgfältige Detailarbeit, gerade das korrekte Einarbeiten und Zitieren fremder Quellen, ist wiederholt unterblieben", sagt er.

Angesichts dieser Extremsituation - er war ja auch noch junger Familienvater - kann einem schon mal ein "ungeheuerlicher Fehler" unterlaufen. Aber Plagiat? Nein, diesen Vorwurf weist zu Guttenberg strikt zurück.

Die Internetplattform GuttenPlagWiki sieht das anders, sie hat 1.218 Plagiatselemente aus 135 Quellen auf 371 von 393 Seiten gefunden. Auch der Spiegel wundert sich und kommentiert in seiner aktuellen Ausgabe: "Karl-Theodor zu Guttenberg trickst schon wieder."

Was bezweckt zu Guttenberg damit? Ganz klar: Er bereitet sein Comeback auf die politische Bühne in Deutschland vor. Mit der Rückkehr aus den USA, wo er sich derzeit aufhält, war zu rechnen. Aber die Geschwindigkeit überrascht doch. Dabei braucht auch ein zu Guttenberg ein bisschen Hilfe - die bekommt er ja gerade. Von der Zeit.

27 Nov 2011

AUTOREN

Simone Schmollack

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte "Die Zeit" und Guttenberg: Wenn das Marketing feiert

Was vereint di Giovanni und zu Guttenberg? Der Hang zum Zusatzgeschäft und die Abscheu vor mühsamen Aushandlungsprozessen.

Di Lorenzo verteidigt sich und zu Guttenberg: Kapitän überraschend in Not

Nach einem Guttenberg-Interview gerät der "Zeit"-Chefredakteur in die Kritik. Leser und Redaktion revoltieren. Doch Giovanni di Lorenzo hält sich derweil bedeckt.

Karl-Theodor zu Guttenberg in Buchform: Gescheitert und gescheitelt

Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg spricht in seinem neuen Buch mit "Zeit"-Chef Giovanni di Lorenzo. Auch über ein mögliches Comeback des Promotionsschwindlers.

Comeback nach Plagiatsaffäre: Guttenberg, der Regisseur

Eben noch in Kanada, jetzt wieder da: Guttenberg hat sein mediales Comeback und die Einstellung des Verfahrens gegen ihn womöglich gut koordiniert. Nicht alle in der CSU freut das.

Amtshilfe für zu Guttenberg: Die neuen Gebrüder Grimm

Große Männerwochen bei der "Zeit": Erst adelt Schmidt Steinbrück, dann beichtet zu Guttenberg bei Giovanni di Lorenzo. Der kann den Ex-Doktor verstehen.

Kommentar Guttenberg-Urteil: Bumerang Promibonus

Die Einstellung des Verfahrens für zu Guttenberg ist ungünstig – hämische Kommentare um einen Promibonus sind wohl schädlicher als ein milder Strafbefehl.

Karl-Theodors Dissertation: 20.000 Euro und gutt

Die Staatsanwaltschaft Hof stellt das Verfahren gegen Ex-Minister zu Guttenberg ein – es bleibt eine Geldstrafe. Der Schaden durch Urheberrechtsverletzung sei "marginal".