taz.de -- Streit der Woche: Die Inflationsgefahr
Trotz Eurokrise kauft die Europäische Zentralbank weiter Staatsanleihen. FDP-Finanzexperte Schäffler befürchtet eine Hyperinflation, Sahra Wagenknecht will eine neue Euro-Bank.
BERLIN taz | Sahra Wagenknecht - stellvertretende Fraktionsvorsitzende Die Linke - glaubt, durch eine richtige Politik die Geldentwertung des Euros aufhalten zu können. In einem Beitrag für den "Streit der Woche" der sonntaz plädiert sie dafür, den Rettungsschirm EFSF: The European Financial Stability Facility als eigene Bank zu lizenzieren, die den Staaten zinsgünstige Kredite zur Finanzierung ihrer Neuverschuldung gewährt.
Sollte dies nicht geschehen, warnt Wagenknecht vor dem Ende der Europäischen Währungsgemeinschaft: "Die Staaten müssen vom Terror der Ratingagenturen und Investmentbanker befreit werden. Sonst wird die Eurozone auseinanderbrechen."
Auch Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin für Finanzmärkte beim Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, ist der Meinung, die Inflation vermeiden zu können. Anders als Frau Wagenknecht sieht sie die primäre Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) jedoch darin, den Kreditkreislauf der Banken zu gewährleisten.
Schäfer sagt: "Die Politiker sollten sich aber davor hüten, die EZB zum 'lender of last resort' für Staaten zu machen, ob nun direkt oder indirekt über eine Banklizenz des EFSF. Die Europäische Zentralbank ist der Kreditgeber der letzten Instanz für Banken, das ist ihre ureigenste Aufgabe, und das sollte sie auch bleiben."
Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter und Finanzexperte der FDP, sieht dagegen im Ankauf von Staatsanleihen der EZB den ersten Schritt hin zu einer Hyperinflation. Er ist davon überzeugt, dass "uns eine Inflation neuer Qualität bevorsteht."
Ganz ähnlich sieht dies Hans-Olaf Henkel, ehemaliger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Er rechnet vor, dass jeder Bürger bereits mit 25 000 Euro verschuldet ist. Henkel glaubt – da sich harte Euros viel leichter mit weichen Euros zurückzahlen lassen -, dass "aus der Währungsunion über den Umweg einer Transferunion eine Inflationsunion wird."
Lars Labryga, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, schreibt: "Es gibt viele gute Gründe, die Inflation zu fürchten." Seiner Ansicht nach droht den Kleinanlegern eine Vernichtung des Wertes ihrer Ersparnisse durch die Hintertür der Inflation. Und Werner Schneyder, österreichischer Schriftsteller und Kabarettist, fordert provokativ, dass sich niemand vor einer Inflation fürchten muss, "denn niemand zwingt uns, uns zu fürchten."
3 Dec 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Eine US-Ratingagentur stellt 15 Eurostaaten unter verschärfte Beobachtung. Darunter auch Deutschland, das sein Toprating verlieren könnte. Kanzlerin Merkel reagiert gelassen.
Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy schwören ihre Bürger auf harte Zeiten ein. Doch sie streiten darüber, wie die Schuldenpolitik zu stoppen ist.
Es gibt einen dritten Weg aus der Krise: Die Drachme fungiert als Binnenwährung, indessen internationale Geschäfte weiter über Euros laufen.
Die Kläger sprechen von einem "Staatsstreich". Am Mittwoch urteilen die Karlsruher Richter über die Verfassungsmäßigkeit der Euro-Rettung.
Geht Griechenland pleite? Was ist ein Gläubiger? Lässt sich der Euro retten? Womit? Von Eurobonds bis Staatsbankrott - alles, was Sie wissen sollten.