taz.de -- Islamisten in Algerien: Bislang marschieren sie getrennt
Nach den Erfolgen in den Nachbarländern sind auch die Islamisten in Algerien optimistisch. Ein halbes Jahr vor den Parlamentswahlen erhoffen sich gleich drei Parteien Chancen.
MADRID taz | Nach den Wahlsiegen ihrer Weggefährten in Tunesien, Marokko und Ägypten sehen sich die Islamisten in Algerien im Aufwind. "Die algerische Gesellschaft will von Islamisten regiert werden", ist sich Bouguera Soltani ein halbes Jahr vor den Parlamentswahlen sicher.
Der 57-Jährige ist Chef der Gesellschaftlichen Bewegung für den Frieden (MSP). Die Partei sitzt mit der Unabhängigkeitspartei FLN und deren Abspaltung RND seit 1997 in der Regierung. Sie stellt 52 der 389 Abgeordneten.
Nachdem Soltani im November den Gründer der in Tunesien siegreichen Ennahda, Rachid Ghannouchi, empfing und dessen öffentliche Unterstützung erhielt, ist sein Optimismus nicht mehr zu bremsen. "Wenn die nächsten Wahlen sauber über die Bühne gehen, werden wir sie gewinnen", prophezeit er.
Algerien war vom arabischen Frühling nur wenig betroffen. Nach ersten, zum Teil gewalttätigen Jugendprotesten im Januar gelang es der Opposition nicht, die Menschen gegen das Regime von Staatschef Abdelaziz Bouteflika, seit 1999 an der Macht, zu mobilisieren. Er hob zwar den Ausnahmezustand auf, doch Kundgebungen in Algier sind weiter verboten. Und Reformen lassen auf sich warten.
Arbeitslose Jugendliche sind Zielgruppe
Um die Wähler zu überzeugen, dass seine MSP trotz Regierungsbeteiligung die richtige Wahl ist, versucht Soltani den Spagat zwischen einem verantwortungsbewussten Koalitionspartner und der Stimme der religiösen Opposition. Einige der konservativsten Gesetze, wie das Einfuhrverbot von Alkohol, gehen auf die MSP zurück.
Soltani ruft zur Einheit aller Islamisten auf, bisher ohne Erfolg. Der Islamist Abdallah Djaballah, der 1999 und 2004 gegen Bouteflika bei den Präsidentschaftswahlen antrat, und Mohamed Said, auch ein gescheiterter islamistischer Kandidat (2009), erteilen der MSP eine Absage.
Djaballahs Front für Gerechtigkeit und Entwicklung (FJD) und Saids Partei für Gerechtigkeit und Freiheit (PJL) bereiten eigene Kandidaturen vor. Nach der Verabschiedung eines neuen Parteiengesetzes am Dienstag werden sie ihre Zulassung beantragen. Das Innenministerium muss binnen 60 Tagen darüber entscheiden. Djaballah und Said hoffen auf die Unterstützung von ehemaligen MSP-Mitgliedern, die Soltanis Partei aus Kritik an der Regierungsbeteiligung den Rücken gekehrt haben.
Gemeinsam haben Soltani, Said und Djaballah die Wähler der ehemaligen Islamischen Heilsfront (FIS) sowie die arbeitslose Jugend im Visier. Die FIS gewann 1991 die Parlamentswahlen. Das Militär brach daraufhin den demokratischen Prozess ab und drängte die FIS in den Untergrund. Bei dem bewaffneten Konflikt zwischen Armee und Islamisten kam 200.000 Menschen um. Die FIS bleibt auch künftig vom politischen Leben ausgeschlossen.
9 Dec 2011
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