taz.de -- Kommentar Sorgerechtsentzug: Gericht macht Sozialarbeit

Der Teilentzug des Sorgerechts hört sich schlimmer an als er ist. Damit hat das Gericht einen neuen Weg geöffnet, die betroffenen Kinder zu unterstützen.
Bild: Familienministerin Schröder hofft, dass ihr neues Baby durchkommt.

Die Ankündigung, Eltern das Sorgerecht teilweise zu entziehen, wenn sie ihre Kinder nicht zur Schule schicken, ist eine clevere Idee. Das Wort "Sorgerechtsentzug" klingt schlimm. In der milden Form, in der es hier angewandt wird, verbirgt sich dahinter tatsächlich eher eine Hilfe für die Familien als eine Sanktion.

Die Hürden, in das Sorgerecht der Eltern einzugreifen, sind hoch. Die Pflege und Erziehung der Kinder seien das natürliche Recht der Eltern, heißt es im Grundgesetz. Der Staat hat nicht einzugreifen, es sei denn, das Wohl des Kindes ist in Gefahr. Mitunter kann es nötig sein, Kinder vor ihren Eltern zu schützen.

Das Sorgerecht ganz zu entziehen, bedeutet, die Kinder von ihren Eltern zu trennen. Das ist ein drastischer Einschnitt für die Eltern wie für die Kinder. Fehlt ein Kind ein paar Male in der Schule, wäre ein derart großer Schritt kaum zu vertreten.

Die Hürde, das Sorgerecht nur für einen Teil der Erziehung zu entziehen, liegt dagegen viel niedriger. Die Kinder bleiben in den Familien, aber die Eltern, die sich mit der Erziehung schwer tun, werden gezwungen, sich helfen zu lassen. Das Gericht hat damit einen neuen Weg geöffnet, die betroffenen Kinder zu unterstützen.

Dass die Gerichte die Initiative ergreifen, ist sinnvoll. Bei ihnen kommen die schwierigen Fälle immer wieder auf den Tisch. Das verschafft ihnen den Überblick und damit automatisch eine zentrale Rolle.

8 Dec 2011

AUTOREN

Gernot Knödler

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