taz.de -- Wikileaks-Prozess in den USA: 10.000 unveröffentlichte Depeschen

Auf Bradley Mannings Computer waren noch tausende weitere, bisher unveröffentlichte diplomatische Depeschen gespeichert. Das sagte ein Zeuge der Anklage aus.
Bild: Der Computerexperte David Shaver bei seiner Zeugenaussage. (v.l.n.r.: Angeklagter Bradley Manning, Armeeanwalt Joe Morrow, Ermittlungsrichter Paul Almanza, Zeuge David Shaver)

FORT MEADE afp | Auf einem Computer des mutmaßlichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning sind zusätzlich zu den bereits bekannten diplomatische Depeschen des US-Außenministeriums 10.000 weitere Depeschen gefunden worden. Diese seien aber wohl nicht an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben worden, sagte ein Compueterexperte der US-Armee, David Shaver, am Montag bei einer Anhörung auf dem US-Militärstützpunkt Fort Meade nahe Washington.

Der 24-jährige US-Soldat Manning wird beschuldigt, geheime Militärdokumente an Wikileaks weitergegeben zu haben. Bei der Anhörung soll überprüft werden, ob die Beweise für einen Prozess ausreichen. Sollte es zu einem Prozess kommen, droht ihm lebenslange Haft.

Shaver musste sich am Montag dem Kreuzverhör der Verteidigung stellen, nachdem er am Vortag bereits bezeugt hatte, dass auf von Manning genutzten Computern diplomatische Depeschen des Außenministeriums gefunden worden waren.

Die 10.000 zusätzlichen Depeschen hätten sich in einer komprimierten Datei befunden, die offenbar beschädigt gewesen sei, sagte Shaver. Vermutlich habe Wikileaks sie deshalb nicht veröffentlicht, sagte der Experte auf eine enstprechende Nachfrage.

Zwischen November 2009 und Mai 2010 soll Manning, der im Irak stationiert war, US-Militärdokumente zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan an Wikileaks weitergegeben haben. Darunter sollen die 260.000 vertraulichen Depeschen sein, mit deren Veröffentlichung Wikileaks im Juli 2010 für Wirbel gesorgt hatte.

Shaver zufolge wurden 100.000 weitere Depeschen des US-Außenministeriums auf einem Computer gefunden, den Manning zwischen November 2009 und Mai 2010 nutzte.

Allerdings räumte Shaver in dem Verhör ein, dass der Computer von mehreren Menschen genutzt wurde und die Dateien nicht direkt mit Mannings Profil in Vebindung gebracht werden könnten.

20 Dec 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Diplomaten-Depeschen von Wikileaks: Die CIA als Kronzeugin

Viele der von Wikileaks veröffentlichten Depeschen enthalten brisante, aber getarnte Informationen der CIA. Eine taz-Recherche offenbart nun den Tarnnamen des Geheimdienstes.

Ende des Manning-Prozesses: Der Himmel hängt noch

Wird der mutmaßliche Wikileaks-Maulwurf Bradley Manning vor ein Militärgericht geführt oder nicht? Die Verteidigung geht offenbar davon aus. Sie plädierte für 30 Jahre Haft.

Prozess gegen Manning: Der Whistleblower schweigt

Im Prozess gegen Bradley Manning wurden Zeugen gehört. Seine Anwälte argumentieren, Mannings "sexuelle Identitätskrise" hätte seinen Job eigentlich unmöglich gemacht.

Manning-Prozess in den USA: Whistleblower gegen Whistleblower

Von Angesicht zu Angesicht: Zum ersten Mal ist der Whistleblower Bradley Manning am Dienstag im Gerichtssaal mit dem Mann konfrontiert worden, der ihn verraten hat.

Online-Netzwerk "FoWL": Wikileaks sammelt Freund und Feind

Ein eigenes Social Network namens "FoWL" soll die Wikileaks-Unterstützer organisieren – und damit den Betrieb der Plattform sicherstellen. Kann das funktionieren?

Wikileaks-Enthüllungen: Experte belastet Manning

Ein Zeuge fand Geheimakten auf dem Rechner des mutmaßlichen Whistleblowers. Der Soldat soll jetzt gegen Wikileaks-Kopf Julian Assange aussagen.

Verfahren gegen Bradley Manning: Zeuge zeigt Link zu Wikileaks auf

Ist Bradley Manning am größten Datenleck der US-Geschichte schuld? Ein Zeuge der Anklage legt das nahe. Die Verteidigung stellt dagegen die Datensicherheit im Irakkrieg generell infrage.

Wikileaks-Informant vor Gericht: Die Leiden des jungen Manning

Bradley Manning saß 17 Monate im Gefängnis weil er Wikileaks Informationen zuspielte. Jetzt beginnt in den USA sein Prozess - wegen Spionage.

Gerichtsentscheidung zu Wikileaks-Gründer: Assange darf ausgeliefert werden

Der Londoner High Court hat entschieden: Wikileaks-Gründer Julian Assange darf nach Schweden ausgeliefert werden. Er kann aber noch einmal Berufung einlegen.