taz.de -- Repressionen gegen russische Opposition: Umweltaktivist erneut unter Arrest

Der Oppositionelle Sergej Udalzow, der durch einen Hungerstreik geschwächt ist, wird erneut zu zehn Tagen Arrest verurteilt. Er soll Polizei-Anweisungen nicht befolgt haben.
Bild: Der Blogger Alexei Navalny beim diesjährigen Jugendsommerlager in Chimki. Auch er wurde zu einer 15-tägigen Arreststrafe verurteilt.

BERLIN taz | Pünktlich auf den Tag genau wurde Sergej Udalzow, Sprecher der "Linken Front" und Aktivist für den Wald von Chimki, am 25. Dezember, 15 Tage nach Antritt seiner Arreststrafe, von Sonderpolizisten aus dem Krankenhaus abgeholt. Doch die führten Udalzow, der sofort nach seinem Haftantritt am 4. Dezember in einen Hungerstreik getreten war, nicht nach Hause, sondern brachten ihn direkt ins Gericht des Moskauer Stadtbezirkes Twer. Dort wartete bereits Richterin Olga Borowkowa.

Borowkowa ist unter Moskaus Oppositionellen gefürchtet. Während Russlands Medien und Öffentlichkeit die Großdemonstrationen für freie Wahlen euphorisch kommentieren, macht die 26-jährige Moskauer Richterin mit führenden Oppositionellen kurzen Prozess. So hatte sie den Blogger Alexei Nawalni und den Kovorsitzenden von "Solidarnost", Ilja Jaschin, zu zweiwöchigen Arreststrafen verurteilt.

"10 Tage Arrest" lautet das neue Urteil für den kranken Udalzow. Er habe bei einer Aktion im Oktober vor dem Wahlamt die Anweisungen von Polizisten nicht befolgt. Sofort nach der Urteilsverkündung brach Udalzow zusammen und musste in eine Klinik gebracht werden. Einer, der nach der Urteilsverkündung am 25. Dezember lautstark protestierte, war Jaroslaw Nikitenko.

Der Umweltaktivist, der mit Udalzow zahlreiche Widerstandscamps gegen die Rodungen des Waldes von Chimki in unmittelbarer Nähe zum Moskauer Flughafen Scheremetjewo organisiert hatte, wird genauso wie Udalzow zum linken Flügel der russischen Protestbewegung gerechnet.

Immer wieder hatte sich Nikitenko gegen die Anwesenheit nationalistischer Fahnen und Symbole auf den Camps der Umweltschützer gewehrt. Unmittelbar nach dem Ende des Prozesses gegen Udalzow wurde Nikitenko festgenommen und ebenfalls zu 10 Tagen Arrest verurteilt. Nikitenko, so das Gericht, habe den Anordnungen der Polizei nicht Folge geleistet.

Russische Menschenrechtler sind empört über die jüngsten Arresturteile. Der beim russischen Präsidenten angesiedelte Menschenrechtsrat kündigte genauso wie Russlands oberster Menschenrechtsbeauftragter, Wladimir Lukin, an, die Urteile genau zu untersuchen. Amnesty International hat Sergej Udalzow inzwischen zum Gewissenshäftling erklärt.

27 Dec 2011

AUTOREN

Bernhard Clasen

ARTIKEL ZUM THEMA

Russlands bekanntester Putin-Gegner: Alexej Nawalni unter Hausarrest

Zwei Monate lang darf er nicht vor die Tür: Damit bestraft ihn ein Gericht für Verstöße gegen Bewährungsauflagen. Nawalnj entgegnet, man wolle ihn mundtot machen.

Wahlkampf im russischen Netz: Putin unter Online-Beschuss

Lange hat Wladimir Putin über die Nutzer sozialer Netzwerke gespottet. Nun versucht er selbst Online-Wahlkampf zu machen - und erntet Kritik.

Putins Polier: Der umtriebige Untergebene

Er gilt als Ideenspender, Souffleur und Erfinder der "Vertikalen der Macht". Ohne den Einfluss von Wladislaw Surkow würde Russland heute anders aussehen.

Protestbewegung in Russland: Putin-Kritiker wieder auf freiem Fuß

Nach 15 Tagen Haft verlassen die Oppositionspolitiker Alexei Navalny und Ilja Jaschin das Gefängnis. Am 24. Dezember soll die nächste Großdemonstration stattfinden.

Russlands Presse: Auszeichnung für Putin-Kritiker

Oppositionelle Journalisten erhalten einen staatlichen Medienpreis - darunter Michail Beketow, der bei einem Angriff fast getötet worden wäre. Kritiker sprechen von Zynismus.

Repression gegen russische Opposition: Waldschützer festgenommen

Die Polizei geht erneut brutal gegen 25 Umweltaktivisten in Moskau vor. Diese wehren sich gegen Rodungen wegen des Baus einer Autobahn.