taz.de -- Innerpalästinensische Versöhnung: Fatah und Hamas nähern sich an
Beide Seiten beschließen konkrete Maßnahmen, darunter einen Gefangenenaustausch. Im Mai sollen ein gemeinsames Parlament und ein Präsident gewählt werden.
JERUSALEM taz | Die innerpalästinensische Versöhnung von Fatah und Hamas nimmt zunehmend Formen an. Bis zum 15. Januar wollen die beiden Parteien ihre politischen Gefangenen auf freien Fuß setzen. Ein unabhängiges Komitee, bestehend aus Vertretern nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen, soll vorab entscheiden, welche Gefangenen im Westjordanland und im Gazastreifen für die Amnestie in Frage kommen.
Nach Ansicht von Taher Nunu, einem Sprecher der Hamas im Gazastreifen, handelt es sich lediglich um 350 Hamas-Aktivisten, die im Westjordanland aus politischen Gründen hinter Gittern sitzen. "Wir haben in Gaza keine politischen Häftlinge", meinte Nunu auf telefonische Anfrage. "Bei uns sitzen Verbrecher in den Gefängnissen." Dennoch würde die Hamas kooperieren, sollte das Komitee die Entlassung von in Gaza inhaftierten Palästinensern fordern.
Die Verhaftungen von Kämpfern und Aktivisten der jeweils gegnerischen Fraktion und die Misshandlungen in den Gefängnissen im Gazastreifen wie im Westjordanland sind wohl das schwärzeste Kapitel in dem seit viereinhalb Jahren währenden innerpalästinensischen Konflikt. Zu den am Wochenende erreichten Vereinbarungen gehört auch die Öffnung von Zeitungs- und Hörfunkredaktionen.
"Wir sind seit drei Jahren dazu bereit", meint Nunu. "Sobald unsere Zeitungsredaktionen im Westjordanland wieder frei arbeiten dürfen, werden auch alle Medien im Gazastreifen geöffnet." Zudem sollen ab spätestens 15. Januar Bewohner des Gazastreifens wieder Pässe bei der Autonomiebehörde in Ramallah beantragen dürfen. "Die Fatah hat den Palästinensern in Gaza bislang die Ausstellung von Reisedokumenten verweigert", meint Nunu.
Anfang Mai letzten Jahres unterzeichneten Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Hamas-Politbürochef Chaled Meschal das Abkommen zur nationalen Versöhnung. Seit den blutigen Auseinandersetzungen im Sommer 2007 werden Westjordanland und Gazastreifen de facto von zwei verschiedenen Parteien regiert. Geplant war, eine Übergangsregierung mit den Amtsgeschäften in den beiden Palästinensergebieten zu beauftragen sowie bis im kommenden Mai allgemeine Wahlen für das Parlament und den Präsidenten abzuhalten.
8 Jan 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Internationale Währungsfonds verweigert einen Kredit, den Israel für die Palästinenser beantragt hat. Damit können die Gehälter nicht mehr bezahlt werden.
Israel will von Deutschland mitfinanzierte Sonnenkollektoren abreißen. Die ersten Hütten von palästinensischen Hirten mussten schon dran glauben.
Die palästinensische Übergangsregierung wird von Mahmud Abbas angeführt und er bleibt Präsident. Darauf einigten sich Hamas und Fatah in Doha.
Die Führung der Islamisten will ihre Zelte in Damaskus abbrechen. Der Chef der Hamas in Gaza geht auf Distanz zu Syriens Führung, damit er sich selbst nicht ins Abseits bringt.
Asis Dwelk, palästinensischer Parlamentssprecher, soll Mitglied einer Terrororganisation sein. Er ist allerdings niemals eines Gewaltaktes überführt worden.
Hamas und Fatah kommen sich ideologisch näher, der alte Machtkampf ist jedoch nicht ausgestanden. Bei der militärischen Schlagkraft will keine Partei Abstriche machen.
In Kairo wird nun das Abkommen zwischen Hamas und Fatah besiegelt. Offen sind Sicherheitsfragen und die Besetzung einer Einheitsregierung.
Die Veränderungen in den arabischen Ländern setzen auch bei den Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas etwas in Bewegung, sagt der Politologe Abdel Sattar Kassem.
Trotz aller Schwierigkeiten ist die Versöhnung zwischen Hamas und Fatah ein Grund zur Freude. Ein palästinensischer Staat hat wieder Kontur bekommen.
Die Einigung zwischen Hamas und Fatah kam überraschend zustande. Ein Streitpunkt ist bereits jetzt die Sicherheitskooperation mit Israel.