taz.de -- Lafontaine zu öffentlichen Personaldebatten: "Zu viele Eigentorschützen"
Bei der Linkspartei irritiert Gregor Gysi mit seiner Kandidatur für den parteivorsitz. Unterdessen mokiert sich Oskar Lafontaine über "Eigentorschützen".
BERLIN taz | An diesem Donnerstagabend trifft sich im Karl-Liebknecht-Haus der Geschäftsführende Parteivorstand der Linkspartei, um darüber zu entscheiden, nach welchem Verfahren die neue Spitze gekürt wird.
Entweder die Mitglieder stimmen über ihre nächste Doppelspitze ab - was voraussetzt, dass zeitnah außer Gesine Lötzsch und Dietmar Bartsch weitere AnwärterInnen ihren Hut in den Ring werfen. Die zweite Variante sieht vor, dass ein von Fraktionschef Gysi so genannter "gewisser Kreis" dem Parteitag eine "kooperative Führung" vorschlägt.
Für die Mitgliederbefragung hat sich neben Lötzsch und Bartsch auch die stellvertretende Parteivorsitzende Halina Wawzyniak ausgesprochen. Dagegen haben sich der Parteienrechtler Martin Morlok sowie der Abgeordnete Wolfgang Neskovic gewandt. Sie meinen, dass eine Befragung gegen das Parteiengesetz wie auch gegen die Satzung der Linkspartei verstieße.
Es ist nicht sicher, dass am Ende der Beratung im Liebknecht-Haus die interessierte Öffentlichkeit erfährt, wie es nun tatsächlich weitergeht. Parteichef Klaus Ernst hat erklärt, man wolle am Montag noch mit den Bundes- und Landesspitzen über das weitere Vorgehen beraten. Nicht aufgehen dürfte jedenfalls der Plan führender Genossen, mit Ordnungsrufen die innerparteiliche Ruhe herzustellen. "Wir haben zu viele Eigentorschützen, die ununterbrochen über Personalfragen quatschen", sagte der frühere Parteivorsitzende Oskar Lafontaine der Saarbrücker Zeitung. Derlei gehe auf Kosten der Wählergunst. Tatsächlich ist die Linke in der aktuellen Forsa-Umfrage auf 7 Prozent gerutscht; bei der Bundestagswahl 2009 waren es noch 12.
Interessanterweise hatte Fraktionschef Gregor Gysi gerade angekündigt, bei der Bundestagswahl 2013 erneut als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stehen. Er nehme an, sagt er der Super-Illu, "Oskar ist dazu auch bereit". Damit hat Gysi erreicht, dass nun zusätzlich zur Chefpersonalie auch noch die Kandidatenfrage breit diskutiert wird.
Diese Debatte komme zu früh, sagte denn auch Dietmar Bartsch dem Deutschlandfunk. "Entscheidungen trifft man dann, wenn sie anstehen, und diese Entscheidung steht jetzt nicht an."
11 Jan 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Ex-Linksparteichef rät von öffentlichen Personaldebatten ab – und hält sich selbst alles offen. Im Saarland nutzt das der SPD, die leichter mit der CDU kuscheln kann.
Das neue Gutachten des Parteienrechtlers Martin Morlok wurde lange erwartet. Es empfiehlt, die Genossen nicht über ihre Führung abstimmen zu lassen.
Lafontaine soll Bartsch als neuen Parteichef der Linken akzeptieren, stellt aber "parteiinterne Bedingungen". Dieser wiederum warnt vor "Spekulationen".
Viele Genossen wollen selbst über ihre neue Führung abstimmen. Aber nun sorgt Gregor Gysi für Unmut. Er will, dass "ein gewisser Kreis" die Kandidaten festlegt.