taz.de -- Ost-Heimkinder kämpfen gegen Fonds: Die falsche Sorte Entschädigung

Für ehemalige Heimkinder aus dem Westen gibt es seit drei Wochen einen Fonds für Folgekosten. Nun ist auch einer für den Osten geplant. Doch Betroffene fordern stattdessen eine Monatsrente.
Bild: Schatten über der Lebensplanung: die Vorsitzende des Opfervereins DEMO, Norda Krauel.

BERLIN dpa | Sie waren allein im Dunklen eingesperrt, bekamen Prügel oder durften nicht miteinander sprechen. Es gab drakonische Strafen und Akkordarbeit. Was Jungen und Mädchen in DDR-Heimen und Jugendwerkhöfen erlebten, hat viele von ihnen für ihr Leben gezeichnet.

Nun ist eine Entschädigungsregelung in Arbeit, die sich am neuen Fonds für ehemalige Heimkinder aus Westdeutschland orientieren soll. 40 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Doch eine West-Kopie mit Verzichtserklärung und reinen Sachleistungen wollen viele ostdeutsche Betroffene nicht. Sie fordern eine andere Form der Entschädigung - zum Beispiel Monatsrenten in Höhe von 300 Euro.

Rund 120 000 Kinder und Jugendliche haben nach Schätzungen in der DDR in Heimen gelebt. Nicht alle haben Demütigungen erfahren. Viele aber berichten von körperlichen und seelischen Qualen, die sie bis heute verfolgen. Norda Krauel aus Brandenburg wurde von ihrem Onkel sexuell missbraucht und lief von zu Hause weg. Mit 16 kam sie in ein Heim. Das warf einen Schatten über ihr ganzes Leben.

"Die Schlampe aus dem Jugendwerkhof ist da!" - so wurde sie mit 18 Jahren in einem volkseigenen Betrieb in Halle vorgestellt. Der Stempel vom Jugendwerkhof im Sozialversicherungsausweis habe wie ein Stoppschild für jede weitere Lebensplanung gewirkt, sagt sie heute.

Fonds als "Mogelpackung"

Robby Basler, Mitglied der Selbsthilfeorganisation ehemaliger Heimkinder (DEMO) in Brandenburg, verweigerte als Teenager den Staatsbürgerkundeunterricht in der Schule. Als Strafe kam er für zwei Jahre in einen Jugendwerkhof. Heute klagt er beim Europäischen Gerichtshof gegen seine Peiniger.

Krauel und Baseler wenden sich entschieden gegen einen Fonds wie im Westen, der Sachleistungen wie Therapien fördert. "Die Fondslösung ist eine Mogelpackung. Therapien sind eine Krankenkassen-Leistung", sagt Basler. Er fordert eine gesetzliche Grundlage für Entschädigungen. Norda Krauel will die Anerkennung von Unrecht, eine Rehabilitierung und finanzielle Hilfe.

Die Lage in Ostdeutschland ist komplizierter als im Westen, wo es seit Januar 2012 einen geregelten Anspruch auf Entschädigung für ehemalige Heimkinder gibt. Im Osten erhielten Bewohner des ehemaligen geschlossenen Jugendwerkhofes Torgau und alle Opfer, die politische Motive für ihre Qual nachweisen konnten, bereits nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) eine Entschädigung.

Kein systematisches Unrecht anerkannt

Andere gingen bei ähnlicher Pein leer aus. "Als gebe es Opfer erster, zweiter und dritter Klasse", kritisiert Lutz Adler, Vorsitzender ehemaliger Heimkinder in Hessen. Er will die Betroffenen im Osten unterstützen - und warnt sie vor einer Fondslösung.

Peter Schruth, Ombudsmann für westdeutsche und ostdeutsche ehemalige Heimkinder, sieht die Krux in der rechtlichen Lage. "Es wird kein systematisches Unrecht anerkannt", sagt er. Deshalb könne eine Entschädigung aus einem Fonds nur Folgeschäden berücksichtigen.

Günstiger für ostdeutsche Betroffene wäre es, wenn das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das Ende 2010 weiter geöffnet worden sei, angewendet würde. Denn damit kann es eine monatliche Opferrente von 250 Euro geben. Käme ein Fonds für den Osten, müssten Antragsteller wahrscheinlich auf solche Ansprüche verzichten. Das schürt Misstrauen.

Die Rehabilitation müsse so angelegt sein, dass jedes Opfer das bekomme, was es brauche, sagt Heidemarie Puls, Opferbeiratsmitglied aus Torgau. Denn viele ehemalige Heimkinder hätten durch körperliche oder psychische Schäden in ihrem späteren Leben kaum arbeiten können.

23 Jan 2012

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