taz.de -- Kommentar Überwachung der Linken: Ein Fall fürs oberste Gericht
Bei der Überwachung geht es darum, die Partei in Verruf zu bringen und zu halten. Es ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes, sich mit diesem Skandal zu beschäftigen.
Schon seit Jahren wird die Linkspartei und ihr Vorläufer, die PDS, vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Dass dabei fast genauso viele Verfassungsschützer die Linke im Blick haben wie die NPD, ist aufschlussreich, aber nicht entscheidend. Kern des Skandals ist, dass die Linke überwacht wird, nicht der Umfang der Überwachung.
Gegen eine Beobachtung der Linken spricht zwar nicht, dass sie im Bundestag und in vielen Landtagen sitzt; solange eine Partei kämpferisch gegen Demokratie und Minderheiten hetzt – wie die NPD –, ist dies auch nach einem Wahlerfolg ein Fall für den Verfassungsschutz (solange er gesetzlich vorgesehen ist). Im Gegenteil: Gerade der Wahlerfolg solcher antidemokratischer Politik macht sie besonders gefährlich.
Entscheidend ist vielmehr, dass die Linke im Kern eine links-sozialdemokratische Partei ist, die voll auf dem Boden der Verfassung steht. Die Linke ist eine im Wesen eher konservative Partei, die den Sozialstaat verteidigt. Auch Heiner Geißler und der Papst wollen den Kapitalismus reformieren. Angesichts dieses Befunds ist es lächerlich, einige verbliebene Revoluzzer und ML-Traditionalisten zum Anlass zu nehmen, eine derartige Partei ins politische Abseits zu stellen.
Die sogenannte Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist hier ja nicht dazu da, Erkenntnisse zu bekommen, die man vorher nicht hatte. Vielmehr geht es darum, die Partei in Verruf zu bringen und zu halten. Der jährliche Verfassungsschutzbericht ist ein Pranger der Ausgrenzung.
Es wird Zeit, dass sich endlich das Bundesverfassungsgericht mit dieser Verzerrung des politischen Prozesses beschäftigt. Ein Gericht, das sich so für die Offenheit der Demokratie einsetzt, sollte diesem Skandal nicht mehr lange zusehen.
23 Jan 2012
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