taz.de -- Datenschutz im Netz: EU schafft den Bürgern mehr Kontrolle

"Deutsche sollten sich nicht sorgen, sondern freuen", meint EU-Kommissarin Reding. Schließlich würden ihre Standards des Onlinedatenschutzes nun auf ganz Europa übertragen.
Bild: Will ein "Recht auf Vergessenwerden": EU-Kommissarin Viviane Reding.

BRÜSSEL/BERLIN epd | Die Europäische Kommission will den Bürgern mehr Kontrolle über ihre im Internet zirkulierenden persönlichen Daten ermöglichen. Der Onlinedatenschutz ist wesentlicher Bestandteil eines gesetzlichen Reformpakets zu Personendaten, das die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding am Mittwoch in Brüssel vorstellte.

Reding plant unter anderem ein "Recht auf Vergessenwerden". Demnach sollen die Bürger ihre herausgegebenen Fotos, Texte oder sonstige Informationen grundsätzlich wieder löschen können, wenn keine legitimen Gründe für ihre Speicherung bestehen.

Die Firmen müssen ihre Kunden vor der Weiterverarbeitung der Daten explizit nach ihrer Zustimmung fragen, anstatt von stillschweigendem Einverständnis auszugehen. Sie müssen in klarer und verständlicher Sprache darüber informieren, was mit den Daten geschehen soll und wie lange sie aufgehoben werden.

Die Bürger können auch verlangen, Einblick in die gespeicherten Informationen zu erhalten. "Im Zeitalter sozialer Netzwerke, des Cloud Computing und der Chipkarten hinterlassen wir mit jeder Bewegung digitale Spuren", unterstrich Reding.

Sanktionsbefugnisse stärken

Die Kommissarin will zudem die Sanktionsbefugnisse der nationalen Datenschutzbehörden stärken und die Unternehmen einer verschärften Rechenschaftspflicht unterwerfen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte im Vorfeld die Pläne für einen einheitlichen Datenschutz begrüßt.

Allerdings schieße die Europäische Kommission über das Ziel hinaus und ziehe zu viele Zuständigkeiten an sich. Auch befürchtet der Minister zu viel Bürokratie für Firmen und eine Aufweichung deutscher Standards.

EU-Kommissarin Reding verteidigte ihren Vorschlag gegen die Kritik aus Berlin: "Die Deutschen sollten sich nicht sorgen, sondern freuen. Deutschland hat mit die besten Regeln zum Datenschutz, und ich dehne diese Regeln jetzt auf die 26 anderen Länder aus", sagte sie. Zudem sei eine Vereinfachung von Verwaltungsregeln geplant, durch die die Firmen jährlich 2,3 Milliarden Euro sparen könnten.

Grundsätzlich hat die Bundesregierung noch die Möglichkeit, auf die Gesetzreform einzuwirken: Redings Vorschläge werden noch im EU-Ministerrat - dem Gremium der Regierungen - sowie dem Europaparlament beraten. Die Grünen im Berliner Bundestag warnten die Bundesregierung davor, "die EU-Datenschutzreform zu torpedieren".

25 Jan 2012

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