taz.de -- Michael Ballack: Abstieg auf der goldenen Leiter
Michael Ballacks Wandlung vom Starspieler zum Paria vollzieht sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Und Ballack selbst? Zieht sich in den Schmollwinkel zurück.
Sie waren sicherlich der Ansicht, einen großen Fußballspieler nach Leverkusen gelotst zu haben - den Weltstar vom FC Chelsea, der einst von Karl-Marx-Stadt respektive Chemnitz aus in die große Fußballwelt gezogen war. Gut, Ballack war nicht mehr der Jüngste, doch schien er mindestens noch zwei, drei Jahre auf höchstem Niveau Fußball spielen zu können. Es funktionierte aber von Anfang an nicht richtig in Leverkusen.
Spekulationen schossen ins Kraut, wer daran schuld sei. Trainer Jupp Heynckes ließ Ballack wochenlang auf der Bank schmoren mit der Begründung, dieser sei noch nicht fit genug. Ein erster Affront. Mit Coach Robin Dutt wurde es kaum besser. Es hieß, Dutt sei Bayer Leverkusen und seinem Starspieler möglicherweise nicht gewachsen. Von anderer Seite verlautete, Ballack ruhe sich zu sehr auf seinen vergangenen Erfolgen aus und bestehe auf eine Sonderbehandlung. Fakt ist, dass sich Ballack für einen besonderen Fußballer hält. Das könnte daran liegen, dass er ein besonderer Fußballer ist. Oder besser: gewesen ist.
Michael Ballack, mittlerweile 35 Jahre alt, hat 98 Länderspiele gemacht, war jahrelang Kapitän der Nationalmannschaft, aber den konjunkturellen Abschwung in seiner zweifelsohne großen Fußballkarriere hat er ebenso schlecht verdaut wie eine einstmals gefeierte Diva, die sich in ihren letzten Lebensjahrzehnten hinter dicken Brokatvorhängen vor der Öffentlichkeit verbirgt.
Ballackscher Hermelin
Der langsame Abstieg auf der goldenen Leiter begann für Ballack mit der Verletzung vor der WM 2010 in Südafrika. Ballack, der eben noch unersetzlich schien im deutschen Team, wurde nicht mehr gebraucht. Eine junge Generation hatte sich seines Zepters bemächtigt. Philipp Lahm warf sich den Ballackschen Hermelin frech um.
Als Ballack das Team in Südafrika besuchte, wirkte er merkwürdig deplatziert. Er reiste vorzeitig ab. Es grummelte in ihm. Sein Frust suchte ein Ventil. Das Ganze musste raus, irgendwie. Also wurde das komplette Nationalteam mal eben als "Schwulen-Combo" denunziert - wenn auch nicht direkt von Ballack, sondern von dessen Berater Michael Becker.
Und je weiter Ballack seine Felle davonschwimmen sah, desto bockiger und unduldsamer wurde er. Das Angebot, seine Nationalmannschaftskarriere durch zwei letzte Spiele mit einer Hunderter-Bilanz abzurunden, schlug er schmollend aus. Vielleicht wirkte ihm das zu gönnerhaft, vielleicht konnte er es nicht verknusen, von heute auf morgen als alt, verbraucht und gestrig zu gelten.
Einfach nur unwürdig
Auch jetzt hat er sich in den Schmollwinkel zurückgezogen, fühlt sich ungerecht behandelt, wobei die Art und Weise, wie Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser vor Kameras tritt und Ballacks Demontage betreibt, einfach nur unwürdig ist. Unwürdig für beide: Holzhäuser und Michael Ballack.
Was auffällt, ist die Duplizität der Ereignisse: Wie der Abgang aus dem Nationalteam vollzieht sich Ballacks (baldiger) Abgang aus Leverkusen knarzend. Dreckige Wäsche wird gewaschen, ein Kompromiss ist in weiter Ferne, man wird indiskret. Das ist bitter. Michael Ballack hätte ein besseres Ende verdient gehabt. Er hat sich für dieses entschieden.
29 Jan 2012
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