taz.de -- Euro-Sorgenkind Griechenland: Europas Geduld am Ende
Die Griechen fordern einen Schuldenschnitt, sonst droht im März der Staatsbankrott. Europas Politiker fordern die stärkere Reformbereitschaft Athens, sonst erschüttert Europa.
BERLIN dapd | In Deutschland und Europa schwindet die Geduld mit dem Euro-Sorgenkind Griechenland. Hochrangige Politiker forderten am Wochenende weitere Reformanstrengungen von Athen und warnten vor einer katastrophalen Entwicklung in dem Land. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker schließt eine Staatspleite Griechenlands nicht mehr aus. Es wächst auch die Sorge um den Zusammenhalt in Europa.
In Athen gingen am Wochenende die Gespräche über einen Schuldenschnitt weiter. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, das Schicksal seines Landes stehe auf Messers Schneide. Bis zum späten Sonntagabend müsse es eine Einigung geben.
Ohne einen Durchbruch droht Griechenland im März der Staatsbankrott. Das Land verhandelt mit Schuldeninspektoren von EU und Internationalem Währungsfonds sowie dem Internationalen Bankenverband über einen Schuldenschnitt der privaten Gläubiger. Sie sollen auf 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten.
Der Chef des Internationalen Bankenverbands, Josef Ackermann, wollte am Wochenende selbst nach Athen reisen, um die Gespräche fortzusetzen. Er warnte eindringlich vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone. Das Schicksal Europas stehe auf dem Spiel und Griechenland habe dabei eine sehr wichtige Rolle, sagte der scheidende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank. Wenn das Land pleitegehe, werde "eine neue Büchse der Pandora" geöffnet.
Zusammenbruch Griechenlands würde Europas Banken erschüttern
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), mahnte, eine Zusammenbruch Griechenlands würde das Bankensystem in Europa in seinen Grundfesten erschüttern. "Und davon wären auch deutsche Banken massiv betroffen", sagte er der Zeitschrift Super Illu.
Auch der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte vor einer tief greifenden Erosion oder sogar einem "Kollaps" des europäischen Währungssystems. Verbunden damit wäre eine sicherlich nicht gewollte "politische Renationalisierung".
Der italienische Ministerpräsident Mario Monti befürchtet im Fall einer Staatspleite Griechenlands Kollateralschäden für das restliche Europa und rief zu mehr Zusammenhalt beim Kampf gegen die Schuldenkrise auf. Die Krise bringe alte Missverständnisse und Vorurteile zurück. Das sei extrem gefährlich, langfristig gesehen sogar gefährlicher als die Krise an sich.
Zwist und Zwietracht in der Eurozone
Der ehemalige Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, beklagte im Nachrichtenmagazin Focus, es gebe immer öfter "Zwist und Zwietracht innerhalb der Eurozone und eine ständige Verbreiterung des Grabens zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern".
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Hannes Swoboda, sagte im Deutschlandfunk, Griechenland sei nur noch schwer zu retten. Es habe keinen Sinn, Geld an das Land zu zahlen, wenn es dort nicht zu grundlegenden Veränderungen komme.
Auch Eurogruppen-Chef Juncker forderte von Griechenland mehr Anstrengungen bei den vereinbarten Reformen. Sollten diese ausbleiben, könne das Land nicht erwarten, "dass Solidaritätsleistungen von den anderen erbracht werden", sagte Luxemburgs Premierminister dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Dann müsse Athen schon in zwei Monaten Insolvenz anmelden.
Pleiteerklärung im März
"Wenn wir feststellen sollten, dass alles schief geht in Griechenland, dann würde es kein neues Programm geben, dann hieße das, dass im März die Pleiteerklärung erfolgt", sagte Juncker. Besonders die geplante Privatisierung von Staatsunternehmen sei deutlich hinter den Verabredungen zurückgeblieben.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier, beklagte, es gebe viele "Erklärungen des guten Willens", nach wie vor seien aber "nur wenige Reformen unter Dach und Fach". Seine Fraktion werde "Griechenland nicht aus der Verantwortung entlassen", sagte der CDU-Politiker dem "Tagesspiegel am Sonntag". Das zweite Hilfspaket werde es nur dann geben können, wenn von griechischer Seite der Nachweis der "absoluten Ernsthaftigkeit" geführt werde. Die Griechen müssten wissen: "Es gibt auch einen Moment, wo die Geduld knapp wird."
5 Feb 2012
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