taz.de -- Madonnas Super-Bowl-Auftritt: Nur weißer Rauch

Ein Popstar, der seine Fähigkeit, sich neu zu definieren, zugunsten eines pompösen Blicks in den Rückspiegel aufgegeben hat. Madonna beim Super-Bowl.
Bild: Nicht altersgemäß: Ein Cheerleader über 50 – Madonna zwischen Nicki Minaj (l.) und M.I.A.

Der Mittelfinger war nicht wirklich tragisch. Verglichen jedenfalls mit dem entblößten Nippel. Tragisch ist nur: Was in Erinnerung bleiben wird von der Halbzeitshow des Super Bowl, das wird wohl eher der zum Fuck-You-Zeichen gereckte Mittelfinger von M.I.A. sein, obwohl er kaum eine halbe Sekunde lang zu sehen war. Das eigentliche Hauptereignis, der womöglich wichtigste Auftritt in der langen und erfolgreichen Karriere eines der größten Stars der Pophistorie, der ist fast wieder vergessen.

Am Aufwand kann es nicht liegen. Selbst in der an extravaganten Inszenierungen nicht eben armen Geschichte der Super-Bowl-Halbzeitüberbrückungsunterhaltung nimmt das zwölfminütige Spektakel, das sich Madonna leistete, um ihre ins Stocken geratene Karriere wieder in Gang zu bringen, einen Ehrenplatz ein. Mit Gladiatoren, Cheerleaders, alten Ägyptern und so vielen Statisten, dass Stephen Spielberg vor Neid erblasst sein dürfte. Mit einem ganzen Gospel-Chor. Mit Feuerwerk und Federpuscheln, mit tanzenden Teufelchen und mit Akrobaten vom Cirque du Soleil. Mit Nicki Minaj und mit LMFAO. Mit einem Duettpartner Cee Lo Green, der ausreichend Starpower für einen eigenen Super-Bowl-Auftritt hätte. Und mit Maya Arulpragasam alias M.I.A.

Die aus Sri Lanka stammende und in London aufgewachsene Tochter eines Tamil Tiger ist nicht nur mit einem verwegenen Mix aus Rap, Dance und Ethno-Musik bekannt geworden, sondern auch durch eine explizit rebellische Haltung, politische Texte und immer wieder missverständliche Äußerungen. Eine solche Bühne bot sich M.I.A. noch nie. Und sie nutzte sie.

Der Mittelfinger ging durch die US-Presse, die üblichen Verdächtigen drückten die übliche Empörung aus. Verglichen mit Janet Jacksons "Nipplegate" vor acht Jahren gerät der Skandal zwar nur zum Skandälchen. Er reicht allerdings, um Madonnas Auftritt zur beiläufigen Attraktion zu degradieren.

Eine ältere Frau feiert die Jugend

Denn so glamourös gemeint: Er offenbarte doch auch, dass die 53-Jährige es versäumt hat, Image und Klangbild zu entwickeln, die ihrem Alter angemessen wären. Viele Tanzschritte wirkten steif, obwohl die Choreografie offensichtlich gewissen geriatrischen Bedürfnissen angepasst war. Einmal kam Madonna sogar ins Stolpern und der Versuch, sich dem Duo LMFAO als lebende Schubkarre anzudienen, endete in einer peinsamen Stellung, die an einen Hund beim Wasserabschlagen erinnerte.

Zu sehen war eine ältere Frau, die von Botox und ausgiebigem Training zwar noch in Form gehalten wird, der es aber auch nicht gelingt, die Zeit anzuhalten. Seit "Confessions on a Dance Floor" feiert sie in ihrer Musik und Erscheinung verzweifelt die Jugend, als wollte sie sich selbst und der Öffentlichkeit beweisen, diese wäre ewig zu erhalten.

Zu sehen war ein Popstar, der seine Fähigkeit, sich neu zu definieren, zugunsten eines pompösen Blicks in den Rückspiegel aufgegeben hat. Die denkwürdige Show endete mit "Like A Prayer", und dem plötzlichen Verschwinden des größten lebenden Popstars. Zurück blieb nur eine Wolke weißen Rauchs. Es fehlte ein wirklicher Hinweis darauf, wer die neue Königin des Pop werden könnte.

6 Feb 2012

AUTOREN

Thomas Winkler

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