taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Deutschland ist Axel
Axel Springer hat laut "Bild" die Entstehung unserer Demokratie begleitet. Warum so bescheiden? Axel Springer IST die deutsche Demokratie. Deutschland IST Axel.
Hallo taz-Medienredaktion! Wieder einmal frage ich mich, wo ich eigentlich bin, wenn die wichtigen Dinge passieren? Beim MDR zum Beispiel. Der Skandalsender, eine Art kultureller Dauerkeks von dem, was von DDR übrig blieb, hat ausgemistet und sein Fernsehballett zum Kauf feilgeboten. Weil es wohl nicht ausreicht, die attraktiven Hupfdohlen alle Jahre mal für die Feierlichkeiten eines erfolgreichen Diktators zu vermieten, wurden sie nun veräußert.
Hätt ich das gewusst! Schon lang wünsch ich mir einen Tänzer für zu Hause. Wenn mal wieder nichts im Fernsehen kommt, Schrank aufmachen, rausholen, fröhlich sein. Kann man sich als Normalsterbliche nicht leisten. Außer man hat das Glück, an Billigtänzer wie die aus der ehemaligen Zone zu kommen, Stichwort: Lohnniveau im Osten.
Und nun ist es zu spät. Weil ich meine Zeit bei Axel Springer verplempert habe. "100 Jahre Axel Springer" titelte das Schlimmste, was dieser Mann verbrochen hat: die Bild-Zeitung, und will scheinbar nicht wahrhaben, dass ihr Axel so gar nicht mehr tanzt. Um den Mann, der "die Entstehung unserer Demokratie" "begleitet" hat, posthum zu dem zu machen, wonach das deutsche Gemüt sich so sehnt – zum gütigen Vater – gibt es jetzt die Internetseite "Meilensteine". Hier wird bis zu seinem Geburtstag im Mai aufgezählt, wie der "Journalist – Unternehmer – Freiheitskämpfer" für dieses Land den Schweiß aus seinem Körper getrieben hat.
Ehrlich gesagt, ich verstehe gar nicht, dass die Springer-Leute sich so bescheiden geben. "Die Entstehung der Demokratie" habe er "begleitet", schreiben sie. Dabei IST Axel Springer die deutsche Demokratie. Deutschland IST Axel. Jede Weinbrandbohne, jedes Lieschen Müller, jeder Rauhaardackel IST Axel. Um nicht zu sagen, jeder Freiheitskämpfer. Ja, das ist die hanseatische Bescheidenheit!
Ganz bescheiden gibt sich Patricia Riekel, die der Burda Verlag aus unerfindlichen Gründen die Bunte machen lässt. Erneut setzt sie ihre Lebenskraft ein, um für die Ehre von etwas zu kämpfen, von dem der Mensch mit Restverstand sich abwendet. Dieses Mal ist es die Dschungel-Show, die der 62-Jährigen den Kopf verdreht hat. Total aus dem Häuschen darüber, dass Menschen "mit Abitur und Studium" die Sendung gucken, hatte auch Frau Riekel viel Freude an dem, was sie auf keinen Fall als "Trash-TV" verstanden haben will.
Sein oder Nichtsein im Dschungelcamp
Das Dschungelcamp sei vielmehr "ein Kammerspiel der Gefühle … vergleichbar mit einem Shakespeare-Drama". Den Beleg für diese Einordnung liefert sie durch ihre Wahrnehmung, dass es in diesem Kammerspiel schließlich auch "um Sein oder Nichtsein" ginge. Was für jede Tütensuppe gilt, deren Sein oder Nichtsein mit der Entscheidung für oder wider das Aufreißen fällt.
Und während bei manchen der Dschungel im Kopf zu Hause ist, breitete sich Floridas Schlangenplage letzte Woche überraschend flächendeckend in Deutschland aus. Als hätten die Medien nicht bereits seit 2008 Gelegenheit, darüber zu berichten, taten es nun alle gleichzeitig. Natürlich allesamt "Qualitätsmedien", die ihre Existenz in ihrer exklusiven Berichterstattung begründen.
Und was dem einen seine Python, ist dem Anderen sein Assauer. Nach dem Motto: "Es ist genug Alzheimer für alle da!" gibt es kein Entkommen. Nein, so ein tolles Thema! Ein Prominenter! Ein Macho! Und nun so gebrochen! Kommt gerade recht, die arme Sau, schließlich ist Gaby Köster mit ihrem Schlaganfall umfassend ausgeweidet. Ja, wenn den Blattmachern ein Teufel verlässlich zur Seite steht, so ist es das Schicksal. In diesem Sinne schnell zurück nach Berlin!
7 Feb 2012
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