taz.de -- Misshandlung behinderter Frauen: Psychoterror und Gewalt im Heim

Mehrere Tausend behinderte Frauen sind einer Studie zufolge in Einrichtungen Opfer von sexualisierter Gewalt geworden. Jede fünfte Frau berichtete von körperlicher Misshandlung.
Bild: Die Täter: überwiegend Mitbewohner.

MAINZ/BERLIN epd | Mehrere Tausend behinderte Frauen sind einer repräsentativen Studie zufolge in Behinderteneinrichtungen oder Werkstätten Opfer von sexualisierter Gewalt geworden. Sechs Prozent der Frauen in Behinderteneinrichtungen hätten bereits mindestens einmal im Leben einen Übergriff erlitten, berichtete das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" aus einer noch unveröffentlichten Studie der Universität Bielefeld. Jede fünfte Frau war demnach eigenen Angaben zufolge schon einmal Opfer körperlicher Gewalt, jede vierte wurde Psychoterror ausgesetzt.

Die Täter sind der Studie zufolge überwiegend Mitbewohner. Die betroffenen Frauen berichteten aber auch von Übergriffen und Missbrauch durch Mitarbeiter der Einrichtungen. Die Autorin der Studie, Monika Schröttle, beklagte, behinderte Missbrauchsopfer hätten besonders große Probleme, Hilfe und Unterstützung zu finden, denn sie könnten ihre Einrichtungen nicht ohne weiteres verlassen. Der hohe Anteil von Frauen, die Übergriffe erlebt hätten, müsse "als bedenklich eingestuft werden".

Die Untersuchung "Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland" war vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben worden. Erste Ergebnisse der Studie waren bereits im November in Berlin vorgestellt worden. Die vollständige Arbeit solle im März veröffentlicht werden, teilte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage mit.

Die Bielefelder Wissenschaftler hatten für die Studie deutschlandweit mehr als 1.500 behinderte Frauen im Alter von 16 bis 65 Jahren befragt, die zu Hause oder in Einrichtungen leben. Außerdem wurde eine repräsentative Befragung in 20 nach einem Zufallsprinzip ausgewählten Behinderteneinrichtungen durchgeführt.

14 Feb 2012

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