taz.de -- Kommentar Ratschläge für Griechenland: Schäuble strengt an
Der deutsche Finanzminister kann keine neue Steuerverwaltung in Griechenland erzwingen. Die Griechen müssen selbst einfordern, dass die Reichen endlich Steuern zahlen.
Finanzminister Schäuble ist niemand, der lange schweigt. Für die Griechen hat er fast täglich einen Rat parat. Jetzt ließ er sie wissen, dass sie "Hilfe annehmen" sollten - indem sie deutsche Experten in die griechischen Finanzverwaltungen lassen. Nach dem Motto: Wenn die Deutschen die Amtsgeschäfte übernehmen, dann sprudeln die Steuern endlich!
Diese deutsche Selbstgerechtigkeit ist anstrengend. In Griechenland sind längst EU-Experten unterwegs, um die dortige Verwaltung zu beraten. Diese Spezialistentruppe wird sogar von einem Deutschen geleitet: Horst Reichenbach.
Zudem sind ja nicht nur Reichenbachs Experten zur Stelle. Auch die Troika aus EZB, EU und IWF entsendet regelmäßig Kontrolleure. Trotzdem sind die Steuereinnahmen nicht gestiegen, wie die Troika in ihrem letzten Bericht beklagt. So ärgerlich es sein mag: Von außen lässt sich die griechische Verwaltung nicht reformieren. Die Griechen müssen es selbst wollen.
Dafür bestehen sogar Chancen: Es wäre im Interesse der meisten Griechen, die Steuerflucht abzustellen, die nur den Reichen nutzt. Dies zeigen die jüngsten OECD-Daten. 2010 wurden in Deutschland 36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Steuern abgeführt, in Frankreich waren es sogar 42,9 Prozent - in Griechenland hingegen nur 30,9 Prozent. Gleichzeitig klafft im griechischen Staatshaushalt ein Loch von rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Es ist also schnell auszurechnen, dass sich das griechische Haushaltsdefizit halbieren würde, wenn die Griechen eine normale Steuerverwaltung hätten.
Aber diese Steuerverwaltung kann nicht Schäuble erzwingen. Die Griechen müssen selbst einfordern, dass die Reichen endlich Steuern zahlen. Diese interne Debatte wird jedoch unterdrückt, solange die Griechen zusammenrücken, weil sie glauben, sich gegen Demütigungen von außen wehren zu müssen. Schäuble würde daher mehr erreichen, wenn er schweigt.
19 Feb 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Milliardenhilfen für Athen sind beschlossen. Für die Griechen wird damit alles noch schlimmer. Profitieren werden hingegen Banken, Versicherungen und Hedgefonds in Europa.
Im letzten Moment haben sich die Euroländer auf ein Rettungspaket für Athen geeinigt. Die "beispiellose Solidarität" der Europartner kommt den griechischen Staat teuer zu stehen.
Griechenland verbietet freie Tarifverhandlungen und verstößt damit gegen die europäische Grundrechte-Charta. Die Troika macht Druck und will Löhne senken.
Kurz vor der Entscheidung über ein neues Hilfspaket stellt Bundesfinanzminister Schäuble den guten Willen Griechenlands infrage. Und löst damit Empörung in Athen aus.
Das Verhalten der Bundesregierung bedrohe ganz Europa, kritisiert die italienische Gewerkschafterin Susanna Camusso. Sie fordert einen europäischen Wachstumsplan
Bis vor zwei Jahren galt der Athener Stadtteil Glyfada noch als schickes Viertel, eine Armenküche gab es nicht. Heute geben Helfer täglich 2.000 Mahlzeiten aus.